Ein Lebenszeichen aus Marokko - von Pleiten, Pech und Pannen, netten Begegnungen und Atlantikwellen bis zum Abwinken

Nachdem wir in den letzten Tagen völlig ohne Kontakt zur Außenwelt (kein funktionierendes WiFi, kein Handy-Empfang...) in einem Naturpark am Atlantik standen, wird es heute wieder mal Zeit für ein kleines Update. Seit etwas mehr als einem Monat sind wir nun schon in Marokko unterwegs. Unsere Reise hat uns nach einer Stipvisite im Hohen Atlas nun entlang der Atlantikküste nach Süden gebracht. Wir haben Agadir – die Touristenhochburg der Deutschen – hinter uns gelassen, haben tolle Landschaften erlebt und sind nun in Sidi Ifni angekommen. Eine ehemalige Garnisonsstadt der Spanier mit dem morbiden Charme längt vergangener Zeiten.

Inzwischen ist es auch schon ein wenig herbstlich in Marokko geworden. Wir können zwar immer noch sehr angenehme Temperaturen von rund 25 Grad genießen, aber abends wird es merklich kühl. Und hier am Atlantik kommen nun auch die Küstennebel daher. Während wir noch tolle Sonnenuntergänge genießen durften, zieht nun abends ein Dunst über das Meer, der alles in einen feuchten, leicht salzigen Nebel hüllt. Diese Nebelglocke verzieht sich erst - mit etwas Glück - in den späten Vormittagsstunden. Schottland-Feeling, nur ein paar Grad wärmer  ;)

Hier nun ein paar Eindrücke von unseren Stationen am Atlantik.

 

 

 

Wir hatten mittlerweile auch wieder sehr schöne Reisebegegnungen. Zum Beispiel die beiden Schweizer Gaby und Köbi, die wir in dem netten Fischerdorf Oualidia getroffen haben.

 

Und da war unser “Easy Rider” Paolo aus Triest, mit dem wir einen schönen Abend im Restaurant des Campingplatzes “Terre d’Ocean” nördlich von Agadir verbrachten. Er versorgte uns mit etlichen Informationen zu Routen in der Wüste und wir hatten angeregte Gespräche. Ein wirklich netter Kerl.

 

Auf demselben Campingplatz trafen wir Moniqe und Danilo, ebenfalls aus Italien, die mit ihrem VW-Bus unterwegs sind und ebenfalls aus dem Süden kamen.

 

Mit Angela und Michael, ein deutsch-österreichisches Paar, welches in Ungarn lebt und mit einem selbstausgebauten LKW unterwegs ist, hatten wir einen weiteren netten Abend mit schönen Gesprächen und Informationsaustausch. Wie immer machen diese Begegnungen das berühmte Salz in der Suppe aus.

 

Dann trafen wir noch einen Herrn aus Vorarlberg, der ganz allein mit seinem Wohnwagen unterwegs in Marokko ist. Seine Frau hatte keine Lust auf das Land. Also ist er allein losgezogen. Wir begegneten ihm gleich zwei Mal.

 

Uns wurde immer wieder gesagt, wir wären mutig eine solche Reise zu unternehmen. Wenn ich dann Menschen wie diesen Herrn sehe, oder auch ein junges Paar, das mit seinem Kleinkind im VW-Bus unterwegs ist, dann sehe ich das ganz anders. Dafür bedarf es in meinen Augen sehr viel mehr Mut und wir beide reisen mit unserem Mumin doch recht komfortabel und sicher durch die Lande. Mut braucht es dafür sicherlich nicht.

 

Was man braucht ist ein wenig gesunden Menschenverstand, ein funktionierendes Bauchgefühl und einen Schutzengel, den wir zum Glück auch schon hatten.

 


Die Geschichte vom zerdepperten Außenspiegel

Nach unserem Aufenthalt in Oualidia fuhren wir auf der schmalen Küstenstraße gen Süden. Es war Sonntag und es herrschte wenig Verkehr. Bis uns ein Sattelzug entgegen kam. Der Fahrer mit dem Handy am Ohr telefonierend und ziemlich schnell unterwegs fühlte sich von unserem Mumin magisch angezogen und kam bedenklich weit auf unsere Fahrspur herüber. Frank versuchte noch ins seitliche Kiesbett auszuweichen, doch die Straße war einfach zu eng für zwei Lkws. Es tat einen furchtbaren Schlag und unser linker Außenspiegel wurde den Göttern des Straßenverkehrs geopfert.  Auch der Gegner hatte einen Verlust zu verzeichnen und musste seine Brocken auf der Straße einsammeln.

 

Während wir noch mit zitternden Knien versuchten, einen Überblick über den entstandenen Schaden zu bekommen (zum Glück war tatsächlich nur der Spiegel in Mitleidenschaft gezogen worden), wurden wir gleich von einer Schar Kinder umzingelt. Irgendwo aus dem Nirgendwo kamen sie daher und forderten Schokolade oder Stylos (Buntstifte) ein. Wir hatten wahrlich andere Sorgen und mussten ein nicht wirklich freundliches Machtwort sprechen, dann zogen sie von dannen. Dank Kabelbinder und Klebeband konnten wir den Spiegel notdürftig reparieren und weiterfahren. Wie viel Glück wir hatten, wurde uns erst später klar, als wir das Führerhaus von den Glassplittern befreiten. Das Spiegelglas – immerhin ein großes Teil, war durch die geöffnete Seitenscheibe haarscharf an meinem Kopf vorbeigeflogen und hinter dem Sitz gelandet. Ebenso ein dicker Bolzen, der im Gehäuse für die Verstellung des Spiegels zuständig ist. Nicht auszudenken, wenn uns eines dieser Teile getroffen hätte. Da war eindeutig ein Schutzengel mit uns.

 

Ja – und weil es sich mit einem notdürftig reparierten Spiegel nicht so gut fahren lässt, versuchten wir einen Ersatz aufzutreiben. Das ist uns bislang leider noch nicht gelungen. Zwar gab es in der Volvo-Niederlassung in Agadir einen Spiegel vorrätig, man hätte ihn auch gleich montiert. Ein erstes Angebot lautete auf 9.400 DH – also 940 Euro. Ein ganz schöner Brocken, der die Reisekasse arg strapaziert hätte. Die beiden netten Herren merkten wohl, dass uns das zu teuer wäre. Es wurde noch ein wenig auf dem Taschenrechner getippt und ein neues Angebot ausgedruckt. Das lautete auf 7.400 DH – also 200 Euro weniger. In Marokko ist anscheinend alles verhandelbar, auch in einer Vertragswerkstatt 😉 Wir waren schon kurz vor dem Ziel, aber zum Glück fragten wir noch, ob wir das auch mit Kreditkarte bezahlen könnten. Das wurde bedauernd abgelehnt, das Gerät zur Bezahlung wäre kaputt. Der freundliche Mensch telefonierte nochmals, aber es wäre nur Cash gegangen. Also nix mit Original-Volvo-Ersatzteilspiegel. Schließlich bekommen wir an der Bank nur 2000 DH Barauszahlung pro Tag.

 

Etwas frustriert zogen wir von dannen, ohne Spiegel. Nun denn, wir werden weiter nach einer marokkanischen Lösung suchen. Vielleicht finden wir noch einen Glaser, der uns eine Scheibe rein montiert ohne Spider-App.

 


Ja, und nach einem Monat Marokko kommt nun auch die Frage nach einem ersten Reisefazit auf. Mit unserer Reisebegegnung Michael und Angela diskutierten wir genau diese Frage. Bekommt Marokko einen Daumen nach oben, einen nach unten oder einen in der Mitte. Uns ging es da wie den beiden – der Daumen pendelt momentan noch irgendwo in der Mitte. In einem unserer Reiseführer stand zu lesen, dass Marokko polarisieren würde. Entweder man liebt das Land oder man hasst es. Genauso ist es und wir stecken momentan noch dazwischen.

 

Eindeutig positiv zu bewerten ist die Vielseitigkeit des Landes. Es gibt kulturell sehr schöne Städte, eindrucksvolle Landschaften, gutes Essen. Meer, Berge, Wüste – welches Land vereint das schon? Keine Frage, Marokko ist wirklich sehenswert.

 

Was uns aber zu schaffen macht ist die Mentalität der Menschen. Damit werden wir einfach noch nicht warm. Ziemlich lästig ist, dass man nirgends stehen bleiben kann, um sich etwas in Ruhe anzuschauen oder selbst nur eine Kaffeepause vor dem Auto zu machen. Selbst im vermeintlichen Nirgendwo steht nach kürzester Zeit jemand da, will etwas verkaufen oder hält einfach nur die Hand auf. Als würde sich über das Buschtelefon (bzw. das Handy) die Nachricht in Windeseile verbreiten, dass da ein Tourist im Anmarsch ist, bei dem es etwas zu holen gibt.  

 

Mittlerweile hat sich da schon ein großes Misstrauen bei uns entwickelt und wir wittern hinter jedem, der sich uns nähert, jemanden der uns abzocken möchte. Umsonst gibt’s nichts in diesem Land. Das führt dann leider auch zu unschönen Missverständnissen, wie es dieser Tage passiert ist.

 

Wir haben eine Wanderung am Strand unternommen und wollten uns ein Naturschutzgebiet anschauen. Nachdem wir bereits am Strand von einem jungen Mann angehauen wurden, der mit unserem Handy telefonieren wollte, tauchte in der Nähe des Naturreservates ein ziemlich abgerissen wirkender älterer Mann auf. Erst hat er nur gewunken, dann gerufen und uns schließlich mit einer Trillerpfeife hinterher gepfiffen. Wir witterten gleich wieder einen selbsternannten Führer, der uns nur die Möwen zeigen wollte – natürlich gegen entsprechendes Geld. Frank hat den Mann erst mal angemotzt und ihm zu verstehen gegeben, dass wir a. keinen Führer brauchen und b. auch nix bezahlen.

 

Es stellte sich heraus, dass wir ein rostiges, rotes Schild mit arabischer Aufschrift missachtet hatten und einfach so ins Naturreservat hineingestapft waren. Der Mann entpuppte sich als offizieller Wärter, zeigte uns auch seinen Ausweis und wollte nur, dass wir auf einem offiziellen Weg gehen, der einige Meter weiter begann. Wir haben uns entschuldigt, er war dann auch ganz nett und hat uns mit einer Broschüre und dem Fernglas tatsächlich auch einige Raritäten im Park gezeigt. Ganz umsonst, der Park ist nämlich gratis.

 

Ein anderes Beispiel ist der Umgang mit dem eigenen Land und den Einrichtungen. Wir sind bereits auf mehreren Campingplätzen gewesen, die in Reiseführern beschrieben wurden mit „europäischem Standard“. Das waren sie wohl vor wenigen Jahren auch mal. Es wird etwas neu und ansprechend gebaut und angelegt, dann jedoch nicht mehr gewartet und gepflegt. Sprich: es verwahrlost einfach, keiner kümmert sich. Die Sanitäranlagen gammeln vor sich hin, Wasserhähne fehlen, Fliesen sind locker, Türgriffe abgerissen. Dazu der viele Müll. Das sind einfach Dinge, die wir nicht wirklich nachvollziehen können.

Andererseits haben wir aber auch einen Marokkaner kennengelernt, der mit seiner Familie 23 Jahre in Kopenhagen lebte. Er ist zurück nach Morokko gekommen und hat einen  Campingplatz eröffnet, in dem er nicht nur Menschen aus seinem Heimatdorf beschäftigt, sondern der so pickobello sauber und herausgeputzt ist, dass wir uns wie im Traum vorkamen. Er hat das Potenzial erkannt und erzählte uns beim Abendessen, dass er im Winter - insbesondere in den Monaten Dezember bis Februar - rund 250 Wohnmobilisten aus Europa zu Gast hat. Der Laden läuft also und er gab selbst zu, dass es wohl eher ein dänischer denn ein marokkanischer Platz wäre.

Das sind die Gegensätze und Kontraste, die dieses Land ausmachen. So ganz verstehen wir den Hype noch nicht, der um Marokko gemacht wird. Aber wir sind ja noch ein paar Wochen hier - vielleicht finden wir das Mysterium Marokko noch ;)

 


Vom Atlantik in den Antiatlas

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Kommentare: 2
  • #2

    Achim (Mittwoch, 09 Oktober 2019 09:34)

    Mensch Ulli,
    wenn ich die Bilder sehe, werde ich neidisch.
    Ich war 1989 als Student mit zwei Kommilitonen für drei Wochen mit Rucksack in Ägypten. Der abenteuerlichste Urlaub meines Lebens.
    Deine Fotos erinnern mich sehr an diese Zeit, die ich sehr intensiv erlebt habe mit den vielen neuen Eindrücken.
    Viele Grüße aus Aachen und genießt die Zeit
    Achim

  • #1

    Cordelia (Mittwoch, 09 Oktober 2019 06:34)

    Hallo zusammen

    Wir wünschen euch weiterhin viele schöne Stunden auf eurer Reise. Bleibt gesund und geniesst euer Abenteuer. Lg Cordelia und Toni ( wir waren mit Gaby und Köbi der Zwillingsbruder von Toni unterwegs.