Endspurt in Lettland: Eine Hafenstadt, ein Gefängnis und ein Traumstrand zum Verweilen

Wir hatten eine sehr ruhige, aber auch sehr kalte Nacht. Dafür strahlt die Sonne heute wieder von einem wolkenlosen Himmel. Los geht es nun zum Endspurt unserer Baltikumreise.

Die nächste Station ist Ventspils, wo wir am Fährhafen wieder einmal einen riesigen freien Parkplatz ganz für uns alleine finden.

Ventspils ist Lettlands größter und verkehrsreichster Hafen. Uns erscheint hier tatsächlich alles eine Nummer größer. Reichlich Platz, riesige Hafenanlagen, breite Straßen und alles in freundlichen Farben gestrichen.

Sogar die Hafenkräne sind bunt und scheinen Ballett zu tanzen. In der Sonne glitzern die goldenen Zwiebeltürme einer orthodoxen Kirche.

Entlang der Hafenpromenade, die eigentlich entlang des Flusses Venta führt, beobachten wir das sonntägliche Geschehen. Am "Baltic Coal Terminal" werden Waggons mit Kohle entladen, die Schlepper fahren hinaus um einen größeren Dampfer in Empfang zu nehmen und wir kommen ins Gespräch mit einer jungen Frau aus Finnland, die in Leverkusen studiert hat und nun in Lettland lebt.

Die Kühe von Ventspils

Wer hätte in einer Hafenstadt Kühe vermutet? Wir jedenfalls nicht. Umso erstaunter und auch amüsierter sind wir, in Ventspils etliche Kuhskulpturen in allen Formen, Farben und Größen zu finden. Mal unübersehbar, dann wieder versteckt trifft man die Rindviecher in der ganzen Stadt. Sie waren Bestandteil eines weltweiten Kunstprojektes - der Cow-Parade. Herzstück an der Hafenpromenade ist die "Touring-Cow", deren Aufkleber davon zeugen, wo sie schon überall war. Die Kühe durften nach Abschluss des Kunstprojektes in Ventspils stehen bleiben. Gar zu schön sind sie anzuschauen.

Wir bummeln noch ein wenig durch die Innenstadt von Ventspils mit bunten Holzhäusern und teilweise prächtigen Jugendstilgebäuden. Überall wird renoviert und das Städtchen ist fein herausgeputzt. So auch der zentrale Rathausplatz. In einem Café/Restaurant wärmen wir uns bei Sauerkrautsuppe und Chili-con-Carne wieder auf.

Zum ersten Mal probieren wir auch ein lettisches Nationalgetränk. Kvass nennt es sich und wird durch die Gärung von Brot hergestellt. Das alkoholfreie Erfrischungsgetränk schmeckt ein wenig wie Malzbier, ist jedoch weniger süß und etwas herber im Geschmack. Gar nicht schlecht und passt sehr gut zur Sauerkrautsuppe.

Ventspils - eine charmante Hafenstadt, die uns sehr gut gefallen hat.

Wir fahren weiter entlang der Küste in Richtung Süden. Zunächst allerdings tanken wir kostenlos Frischwasser an einer Circle-K-Tankstelle auf. Den Tipp haben wir von Bianca und Andi erhalten, denen wir in Estland begegnet sind. Vielen Dank an euch!

Dann geht's weiter und beim Dorf Uzavas kommen wir an einer Brauerei vorbei. Riesig und nagelneu mit einem Verkaufs-Shop, der sogar am heutigen Sonntag geöffnet hat. Da kommen wir natürlich um einen Einkauf nicht herum.

 

So kommen wir schließlich an das "Memorial Sail of Hope", an dem wir einen wunderschönen Stellplatz direkt hinter der Düne finden. Das Denkmal in Form zweier stilisierter Segel erinnert an die Flucht lettischer Bürger in den Jahren 1943 bis 1945 ins neutrale Schweden. Sie versuchten damals vor einer russischen Invasion zu entkommen. 170 Kilometer über die Ostsee bis nach Gotland in überladenen Booten. Unterwegs drohten Minen und Kontrollen durch die deutsche Marine. Ein Himmelfahrtskommando, das Parallelen zu den heutigen Mittelmeerflüchtlingen aufweist.

Beim Strandspaziergang halten wir Ausschau nach Bernstein und finden mit dem Blick auf's Wasser nun auch ein wenig Muse, die zurückliegenden Reiseeindrücke sacken zu lassen. Allerspätestens jetzt wäre bei einer längeren Reise die Zeit gekommen, eine Pause einzulegen um all die neuen Eindrücke und Erlebnisse zu verarbeiten.

Auf dem Stellplatz treffen wir übrigens Yvain, den Franzosen wieder, dem wir in Riga auf dem Aussichtsturm begegnet sind. Er ist mit Hund und Wohnmobil auf Europareise, schreibt Romane und kommt aus der Normandie. Das erfahren wir bei einem netten Plausch beim Feierabendbier, bevor uns die abendliche Kühle nach drinnen treibt. Wir können heute von unserem Kaiserplätzchen einen traumhaften Sonnenuntergang über der Ostsee genießen. Den wievielten eigentlich???


Ein Knast, eine Kirche und noch ein Leuchtturm

Begleitet vom Meeresrauschen hatten wir wieder eine fantastisch ruhige Nacht und finden heute morgen einen netten Abschiedsgruß unserer französischen Reisebekanntschaft vor der Tür. Yvain - MEMO an mich - müssen wir noch Grüße auf seinem Blog hinterlassen.

Für uns geht es heute unerbittlich in Richtung Urlaubsende. Die heutige Etappe führt uns entlang der Küste bis nach Liepaja und in den dortigen Stadtteil Karosta.

Entlang der Strecke gibt es wieder einige Abschnitte mit Steilküste, die wir diesmal jedoch auslassen.

Liepaja und der Stadtteil Karosta waren einst militärisches Sperrgebiet der Sowjets und Flottenstützpunkt der Marine. In Karosta, das von hässlichen Plattenbauten geprägt ist, überstrahlt die russisch-orthodoxe Dreifaltigkeitskirche die Tristesse wie eine Fata Morgana und die goldenen Zwiebeltürme leuchten in der Sonne.

Außerdem ist Karosta bekannt für ein ehemaliges Militärgefängnis in einem Backsteinbau. Aufgrund mehrerer Empfehlungen schauen wir uns das Ganze mal an. Einst als Militärkrankenhaus konzipiert diente es im Laufe der wechselvollen Geschichte mehreren Nationen als Strafanstalt.

Wir nehmen an einer Führung mit uniformierten Guides teil, schauen uns die Zellen an, werden kurz in die Dunkelzelle gesperrt und sehen Sammlungen von Waffen und Utensilien aus der Zeitgeschichte. Alles ganz interessant, aber irgendwie vermag uns das Ganze nicht so recht zu überzeugen. Im Vergleich zu anderen Gefängnissen (z.B. im deutschen Bautzen oder im rumänischen Sighetu Marmatei) fehlt uns ein wenig die historische Aufbereitung. Das Ganze hat eher Event-Charakter, man kann eine Nacht in der Gefängniszelle buchen, Knastverpflegung und Kommandoton inklusive. Brauchen wir alles nicht wirklich.

Wir fahren weiter durch Wälder und eine relativ eintönige Landschaft bis nach Papa, unserem heutigen Etappenziel. Pape liegt am Rand eines großen Naturschutzgebietes und bietet zwei potenzielle Übernachtungsplätze. Der erste liegt an einem See im Landesinneren am Info-Zentrum des Naturparks. Hier soll es auch wieder Herden mit Wildpferden geben.

Wir entscheiden uns jedoch für einen Parkplatz am Leuchtturm und am Meer um unseren letzten Abend in Lettland im Sonnenschein am Wasser zu genießen. Der Platz ist wieder einmal erste Klasse, ausgestattet mit Picknicktischen, Grillstellen und sogar einem richtigen Räucherofen. Sogar das Räucherholz liegt bereit. Fehlt nur noch der Fisch. Und alles gratis für die Allgemeinheit. Das sucht man in Deutschland vergeblich bzw. es wäre wahrscheinlich schon dem Vandalismus zum Opfer gefallen.

Wir unternehmen einen ausgedehnten Strandspaziergang und kommen wieder einmal in den Genuss eines wunderbaren Sonnenuntergangs.


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