Provencalische Gefühle mitten in Ungarn - Szentendre und das Donau-Knie

Frank springt nochmals in das rostige Thermalwasser, dann sind wir gegen 10 Uhr startklar. Bezahlt haben wir heute 18 Euro inkl. dem Thermalbad-Eintritt. Für uns geht es heute wieder mal ein längeres Stück auf der Autobahn in den Norden von Budapest. Auf dem Weg dorthin durchqueren wir noch einige nette Ortschaften an der Theiss-Seenplatte und kurzzeitig überlegen wir, doch noch einen Halt einzulegen.

Aber es zieht uns weiter. Wir kommen vorbei an einem riesigen Feld mit leuchtend rotem Klatschmohn. Da muss ein Foto-Stopp sein. Außerdem erstrecken sich entlang unserer Route immer wieder große Felder mit Sonnenblumen. Leider stehen diese noch nicht in der Blüte, aber ich kann mir die Farbenpracht im Sommer gut vorstellen. Es muss herrlich sein, wenn die gelben Blüten geöffnet sind.

Auf der Autobahn läuft es gut, nur kurz vor Budapest lassen wir uns etwas irritieren und von der Beschilderung fehl leiten. Somit schlagen wir auf den diversen Nord-, Süd- und Ostumfahrungen Budapests einen kleinen Haken, überqueren nördlich der Stadt die Donau auf einer imposanten Brücke und gelangen schließlich nach Szentendre. Quasi noch ein Vorort von Budapest.

Wir finden gleich einen zentralen Parkplatz, der reichlich Platz für unseren Mumin bietet, und schauen uns das Städtchen genauer an. Es gilt als "Künstlerdorf", denn viele Kunsthandwerker sollen in dem Ort ansässig sein.

 

Und was soll ich sagen: dieser Ort weckt provencalische Gefühle mitten in Ungarn in mir. Enge, verwinkelte Gassen, nette Häuser, eine Kirche auf dem Berg und dazwischen überall Stimmengewirr und Musik. Vom Kirchberg herunter führt uns eine enge Gasse hinunter zum Markplatz. In der Gasse steht eine lange Warteschlange von Menschen. Irgendetwas besonderes muss es in diesem kleinen Innenhof geben.

Tatsächlich warten alle auf frische Langos. Der Hefeteig-Fladen wird im schwimmenden Fett ausgebacken und es gibt ihn in Natur, mit viel Knoblauch (Provence), mit einem Belag aus Sauerrahm und /oder mit Käse. Auch eine süsse Variante mit Zimt und Zucker ist im Angebot. Wo so viele Menschen auf diesen Imbiss warten, da muss er gut sein. Also reihen wir uns in die Reihe der Wartenden.

Wenige Schritte weiter auf dem Markplatz hören wir Musik. Es findet ein fröhliches "Ringelreihen" statt. Jung und Alt, Groß und Klein tanzen Hand in Hand rund um den Brunnen. Die Schritte sind einfach, jeder kann mitmachen und die Musiker spielen die passende Melodie dazu. Wir schauen uns das Ganze eine Weile an, dann bummeln wir weiter.

In den Sträßchen reihen sich Cafés, Restaurants, kleine Lädchen, Stände mit Kunsthandwerk, Eisdielen. Es herrscht fast schon ein mediterranes Ambiente.

JA es ist sehr touristisch, JA es ist sehr voll, JA es ist auch ein bisschen kitschig, aber JA es ist einfach auch schön hier. Wir lassen uns treiben, essen noch ein Eis und beschließen spontan, noch einen Tag hier zu bleiben. Deshalb ziehen wir um auf den nahe gelegenen Campingplatz "Pap Sziget", der auf einer Insel liegt und über eine Brücke zu erreichen ist. Die Insel trennt einen Seitenarm der Donau von einem Kanal. Es ist ein sehr weitläufiges Areal mit diversen Freizeiteinrichtungen, Restaurants, Jugendherberge und Unterkünften in Stelzenhäusern, die uns wieder an Frankreich erinnern. Diesmal an "unser" Gruissan und die dortigen Siedlung am Meer mit Stelzenhäusern. Trés francais und das in Ungarn. Ich bin ganz glücklich ;)

Wir verbummeln den Nachmittag im Schatten der großen Bäume und überlegen, ob wir morgen mit dem Fahrrad ans Donau-Knie nach Visegrad radeln sollen. Laut Karte gibt es da  einen Radweg und die Dame an der Rezeption meint, es wären rund 25 Kilometer einfache Strecke. Da es wieder topfeben der Donau bzw. ihrem Seitenarm entlang geht, dürfte es auch diesmal ohne E-Bike zu schaffen sein ;)

Am frühen Abend radeln wir nochmal ins Städtchen, bummeln durch die Gassen die nun wesentlich ruhiger sind als am Nachmittag. Die Tagesbesucher sind weg, so dass es nun so richtig entspannt zugeht. Wir trinken in einer netten Hinterhof-Kneipe mit vielen jungen Gästen unser heutiges Feierabend-Viertele, dann essen wir in einem Lokal am Marktplatz zu Abend. Nichts besonderes, eher Touristen-Futter, aber wir haben ein neugieriges Plätzchen und können nebenher Leute gucken.

Nach dem Essen bummeln wir hinunter an das Ufer des Donau-Seitenarmes. Am Strand spielt eine Live-Band, Familien, Jung und Alt genießen den lauen Abend am Wasser und die Stimmung ist absolut relaxed. Einfach herrlich. Auch wir genießen es noch ein wenig, dann radeln wir zurück zum Campingplatz und unser Entschluss für den Verlängerungstag steht nun absolut fest.

Tagesetappe: 164 km


Fahrradtour ans Donau-Knie nach Visegrad

Nach einem gemütlichen Frühstück schwingen wir uns auf die Räder und radeln los in Richtung Visegrad. Der Radweg beginnt gleich am Ausgang des Campingplatzes und bereits nach rund einem Kilometer kommen wir zu einer PKW-Fähre, die uns auf die Szentendre-Insel übersetzt. Sie trennt die Donau von einem ihrer Seitenarme.

Nun geht es auf einer ruhigen und wenig befahrenen Straße und durch kleine Dörfer in Richtung Norden. Irgendwie kommen wir uns vor, wie auf der Bodensee-Insel Reichenau. An der Straße gibt es etliche Stände, an denen frische Erdbeeren verkauft werden. Ein Erdbeerfeld neben dem anderen. Auch Sirup, Marmelade und Honig werden an den Ständen angeboten. Leider sind wir ja erst am Beginn unserer Tour, so dass wir nur den frischen Erdbeer-Duft in der Nase mitnehmen.

 

Bei Kisorosz ist die Nordspitze der Insel erreicht und wir gelangen mit einer Personen- und Fahrradfähre wieder zurück aufs "Festland". Leider verläuft der Radweg nun auf den letzten 6 Kilometern nach Visegrad direkt auf der viel befahrenen E11. Die ist hier allerdings breit genug, so dass die restliche Strecke halbwegs stressfrei ist. Dafür entdecken wir, dass die Ortseinfahrt von Visegrad von einem alten Torbogen mit einer Durchfahrtshöhe von 3,50 Metern begrenzt ist. Mist - da brauchen wir für morgen einen Plan B, denn eigentlich wollten wir hier entlang fahren. Aber da passt der Mumin nicht durch.

Die kleine mittelalterliche Stadt Visegrad liegt am Donauknie und wird überragt von einer mächtigen Burgruine. Die wollen wir morgen mit dem Mumin besuchen, denn mit unseren altersschwachen Fahrrädern ist uns (oder besser: mir) der Weg hinauf zu mühsam.

Unten kommen wir am König-Matthias-Palast vorbei. Der ehemalige Königspalast wird gerade von einer Busladung mit Donau-Kreuzfahrern gestürmt, so dass es uns erst einmal weiter in Richtung Ortsmitte zieht. Nach rund 25 Kilometern haben wir uns eine Mittagspause verdient.

Zurück wollen wir den direkten Weg - also nicht über die Insel - nehmen. Leider verläuft gut die Hälfte der Strecke auf der E11 und die ist an diesem Sonntag Nachmittag ziemlich stark befahren. Motorräder, Autos, Busse, andere Radfahrer im Tour-de-France-Tempo. Ziemlich nervig, anstrengend und spassfrei.

Erst nach rund 15 Kilometern zweigt der Radweg ab ans Ufer und nun wird es gemütlich. Unterwegs passieren wir mehrere Fährstationen, die Imbiss-Stände sind bevölkert, es gibt Strandbäder und die Menschen genießen den schönen Sonntag Nachmittag am Wasser. Auch wir stärken uns mit einem kühlen Getränk und radeln die restlichen Kilometer bis zum Campingplatz.

Alles in Allem dürften das heute etwas mehr als 50 Kilometer gewesen sein und wir rechtschaffen k.o.

Zum Abendessen gibt es Pasta aus der Campingküche, dann wird noch Brot gebacken für unsere restlichen Urlaubstage, die nun leider endgültig gezählt sind.


Eine Burg, eine Kirche und nochmal ein Thermalbad