Angekommen in Alicante. Nun ist Land in Sicht, die Recherche entlang der Küstenregion südlich von Valencia, der Costa Blanca samt Abstechern ins Hinterland, neigt sich ihrem Ende zu. Wieder einmal durchleben wir hier ein Wechselbad der Gefühle. Angefangen von „Oh Gott, wo sind wir hier nur gelandet“ und „Wir wenden uns ab mit Grausen“ bis hin zu „Ok, ganz nett hier“. Auch die Großwetterlage ist eher so gemischtquadratisch. Es gab schöne, sonnige Tage und wir konnten Temperaturen von bis zu 28 Grad genießen. Dann wieder ist es eher trüb und bedeckt mit Regentropfen. Ein stabiles Frühsommer-Hoch ist auch hier in Spanien noch nicht in Sicht. Socken, Unterhemd und Windjacke bleiben in Reichweite.
Unsere Reise ging von Valencia weiter in Richtung Süden. Dort gibt es zunächst noch ein Naturschutzgebiet mit einer Lagune und großen Anbauflächen für Reis. Irgendwo muss der Rohstoff für die Paella ja herkommen. Dann nahm auch die Küstenbebauung zunehmend an Höhe zu. Im Badeort Cullera nehmen sich die Hochhäuser gegenseitig die Sonne und wir kommen uns in den Betonschluchten mit unserem Mumin richtig mickrig vor. Da hilft nur die Flucht ins Hinterland, wo wir Trost auf einem weiteren Bodega-Parkplatz inmitten von Orangen-Plantagen suchen. Erst waren wir ein wenig abgeschreckt, denn der Parkplatz war fest in deutscher und niederländischer Hand. Doch dann war der Abend bei leckeren Tapas und Weinprobe doch noch ganz unterhaltsam.
Es geht anschließend noch ein bisschen weiter ins Hinterland. Das Wetter ist gut und uns steht der Sinn nach ein paar Wandertouren. Am Fuße eines Stausees bei Bellús finden wir einen kommunalen Stellplatz inmitten der Natur. Am ersten Abend sind wir ganz allein hier und können am nächsten Morgen zu einer schönen Wanderung an die Cova Negra starten. Frühzeitliche Felsengrotten, in denen Felsenmalereien und Knochen von Neandertalern entdeckt wurden. Die Region ist auch Kletterrevier und wir werden ziemlich überraschend Zeugen einer stuntreifen Rettungsübung mit Feuerwehr und Helikopter. Spannend!
Bei unserer Rückkehr hat sich der Stellplatz mit weitern (deutschen) Campern gefüllt. Da unser Solarmodul ein wenig zickig ist und trotz blauem Himmel die Batterien nicht optimal geladen sind, werfen wir für 20 Minuten unsere Emma an, um uns ein verspätetes Mittagessen zu kochen. Kaum 10 Minuten später steht auch schon ein deutscher Bruddler da, der sich über den „Lärm“ beschwert. Mooooment: Siestazeit ist vorbei und die Nachtruhe noch nicht angebrochen. Außerdem steht er mit seinem WOMO mehr als 50 Meter entfernt. Kann nicht so schlimm sein. Also – keep cool und unsere Emma darf fertig brummern, bis die Pasta gar ist. Dass der gute Mann den ganzen Nachmittag lautstark mit anderen Campern palavert, lassen wir mal dahingestellt. Diese Hausmeister-Krause-Mentalität braucht wirklich kein Mensch.
Am nächsten Tag erwartet uns in Bocairent ein echtes Abenteuer. In dem malerischen Bergdorf gibt es noch maurische Felsenwohnungen. Die Wohnhöhlen wurden von Hand in eine steile Felswand geklopft und das gesamte heutige Dorf steht praktisch auf einem Schweizer Käse. Die Besichtigung einer ehemaligen Eishöhle, in der Schnee für die Kühlung im Sommer gelagert wurde, war noch easy going. Für die Besichtigungstour der Felsenwohnungen meinte die nette Dame in der Touristen-Info nur, wir müssten dabei ein bisschen klettern. Das war dann doch leicht untertrieben. Was uns erwartete, erforderte echten Sportsgeist und war nichts für Klaustrophobiker. Erst ging es über Eisentreppen an der senkrechten Felswand hinauf zum Einstieg in die Höhlen. Dann krabbelten und robbten wir auf allen Vieren durch die Wohnhöhlen. Nix mit Stehhöhe! Zudem mussten wir uns durch enge Verbindungsröhren hinauf oder hinunter in die nächsten Etagen hangeln und hoffen, dass wir nicht stecken bleiben. Schlangenmenschgleich und wahrscheinlich nicht wirklich elegant wurschtelten wir uns durch. Irgendwie hat es dann gepasst und am Ende waren wir – besonders ich (Ulli) heilfroh, wieder das Tageslicht zu erblicken. Bilanz: ein aufgeschürftes Knie und ein Loch in der Hose sowie deftiger Muskelkater am nächsten Tag.
Zurück an der Küste suchten wir dann einen Camperpark auf. Freies Stehen ist hier nahezu überall unmöglich. Da wir ein wenig Hausarbeit erledigen mussten, nahmen wir die Annehmlichkeiten gerne in Kauf, wenngleich wir hier doch eher zu den Exoten zählten. Unsere Nachbarn mit ihrem schicken Concorde-Centurio waren aber sehr nett und wir gaben dem Ganzen den Namen „The Beauty and the Beast“.
Die Weiterfahrt hat uns nicht wirklich vom Hocker gerissen. Appartement-Siedlungen, Parkverbote für WOMOs, medizinische Zentren, die mit mehrsprachigem Personal werben, Einkaufsmeilen und eine Bebauung, die immer mehr in die Höhe geht. Wir sind nun im Herzen des Massentourismus der Costa Blanca angekommen. Es fällt wirklich schwer, hier noch die Rosinen zu finden. Eine davon war die Stadt Denía, die uns trotz touristischer Prägung sehr gut gefallen hat. Hübsche Flaniermeilen, ein Castillo, Parkmöglichkeiten und nette Geschäfte. Wäre nicht Palmsonntag, wäre eine Shoppingtour fällig gewesen. Auch das anschließende Kap Sant Antoni hat es uns angetan. Durchzogen von Wanderwegen fanden wir hier oben einen aussichtsreichen Stellplatz inmitten der Natur. Das Daumenbarometer zeigt eindeutig nach oben, zumal eine Übernachtung von der mehrmals vorbeifahrenden Guardia Civil toleriert wurde. Vielen Dank dafür!
Mit den Städten Calpe und Benidorm ist schließlich die Brutalo-Architektur der Küste erreicht. Wolkenkratzer und Massentourismus – schön geht wahrlich anders. Einzig Calpes Altstadt – sofern man sie inmitten der Hochhäuser überhaupt findet – ist ganz nett. Auch das Hinterland ist leider sehr touristisch geprägt, auch wenn es eigentlich super schön wäre. Bei unserem Ausflug an die Wasserfälle von Fonds d’Algar fühlten wir uns sogar regelrecht abgezockt. Schon bei der Anfahrt (für unserem Mumin samt Fahrer übrigens eine echte Herausforderung) säumten Restaurants den Wegesrand, die ihre Parkplätze gegen Bares und/oder Konsum vermieteten. Doch selbst wenn wir gewollt hätten, die Plätze wären für unseren Mumin viel zu klein. Also weiter auf enger Straße steil bergauf bis zu einem Campingplatz. Dort konnten wir auf dem Parkplatz davor für 10 Euro über Nacht stehen. Der Chef erklärte uns noch den Weg zu den Wasserfällen. Dort standen wir dann aber vor verschlossener Tür. „It’s closed“, so die lapidare Antwort des Personals. Ob es an der Brücke lag, die wohl von Wassermassen dahingerafft wurde oder ob es Reparaturen waren oder wann man wieder rein könnte, vermochte niemand zu sagen. Ärgerlich, dass weder auf der Internetseite darüber informiert wurde noch der Campingchef etwas über die Schließung sagte. Vermutlich höchst vorsorglich, da wir sonst womöglich auch weitergefahren wären und ihm 10 Euro (schwarzer) Verdienst durch die Lappen gegangen wäre.
Die zweite Attraktion, ein Kakteengarten, hätte uns auch noch interessiert. Er befindet sich aber in einem Dino-Park oder der Dino-Park in den Kakteen – wir wissen es nicht. Eines ohne das andere ging nicht und somit hatten wir uns entschlossen, die 15 Euro pro Nase für die Kakteen zu berappen. Doch obwohl der Park geöffnet und auch nicht überfüllt war, ließ man uns und eine Familie mit drei Kindern vor den Toren warten. Ohne Kommentar donnerte man nur das Fenster vom Kassenhäuschen zu. Wir harrten noch zehn Minuten aus, dann zogen wir und auch die spanische Familie von dannen. Nix mit Dinos und auch nix mit Kakteen. Fazit: komplett vom Massentourismus verdorben und Enttäuschung pur, da wir uns wirklich auf Wasserfälle und Kakteen gefreut hatten. Somit verbrachten wir die Nacht auf dem uncharmanten Parkplatz des Campingplatzes mit Blick auf die ausgedehnten Mispelplantagen, die hier in großem Stil und eingehüllt von Netzen angebaut werden. Eine wahrlich bizarre Kulisse.
Auf der Weiterfahrt kamen wir in dem Städtchen Villajoyosa vorbei. Die bunte Stadt, wie sie im Reiseführer beworben wird, versöhnte uns ein wenig mit der Brutalo-Architektur der Küste. In der Altstadt erwartete uns eine authentische Seite Spaniens. Beim Bummel durch die engen Gassen drangen aus dem einen Haus Schimpftiraden, irgendwo war der Fernseher auf Schwerhörigen-Modus gestellt, andernorts telefonierte jemand auf dem kleinen Balkon, es roch nach Pasta und Knoblauch und ein wenig nach Katzenklo, an der nächsten Ecke die blumigen Düfte aus dem Wäschetrockner. Selbst als Passant nimmt man teil am Alltagsleben der anderen. Hier weiß sicherlich jeder über das Leben der Nachbarn Bescheid. Sehr sympathisch nach der Anonymität der Hochhausfluchten.
Ja, so sind wir nun vor den Toren von Alicante gelandet. Auch hier haben wir uns in die Obhut eines Camperparks begeben. Vorteil: die Betreiber sind Franzosen, haben uns eine französische Bäckerei um die Ecke empfohlen, in der wir morgen frische Croissants und Baguette bekommen und wir können hier mit der Straßenbahn nach Alicante fahren. Der Strand ist auch nicht weit, aber der Rest – nun ja: Vorstadtflair mit Appartementkulisse. Wir werden bescheiden 😉
goldfish (Freitag, 15 April 2022 09:57)
hi ihr lieben,
die Besichtigung der Felsenwohnungen wäre für uns auch ne Sache :-)
bleibt gesund
Gruß
goldfish und polarbear