Russland-Feeling im tiefen Osten der Slowakei

Inzwischen ist es Herbst geworden – wahrscheinlich nicht nur hier in der Slowakei. Eine Jahreszeit, die ich (Ulli) im vergangenen Jahr auf unserer Marokkoreise ein wenig vermisst habe. Die Wälder, die sich zunehmend bunt färben, die letzten wärmenden Sonnenstrahlen und die Tage, die nun merklich kürzer werden. All dies hat irgendwie seinen Reiz. Die Abende finden nun aufgrund der herbstlichen Kühle meist drinnen statt. Zeit, auf unsere sechste Woche in der Slowakei zurückzublicken, die uns ganz tief in den Osten des Landes führte.

Zunächst muss ich jedoch den Faden am Dukla-Pass aufnehmen. Dort, an der Grenze zu Polen, wo uns die Obrigkeit so genau unter die Lupe genommen hatte. Von unserem auserkorenen Schlafplatz wurden wir ja nicht vertrieben, so dass wir am Abend den Tag noch bei einem Glas Wein ausklingen lassen konnten. Die Fenster weit geöffnet, denn draußen war es noch mild, doch dafür stockfinster. Plötzlich ein seltsames Geräusch. Angeblich sollen sich dort oben in den Wäldern rund um den Pass in den letzten Jahren wieder Bären angesiedelt haben. Und nun das: draußen schnüffelt und schnauft es. Ob Meister Petz wohl nach unserem Hundefutter sucht? Von uns drei Super-Outdoor-Helden (Hund eingeschlossen), traut sich keiner, mit der Taschenlampe mal nachzuschauen. Stattdessen schnell die Fenster und Rollos zu. Wenigstens hören wir jetzt nichts mehr…. Wahrscheinlich war das da draußen vor der Tür nur ein kleiner Igel 😉

 

 

Die nächste Überraschung erwartet uns dann kurz vor der Grenze zur Ukraine. Was wir dort nie vermutet hätten – es gibt hier das einzige Andy-Warhol-Museum Europas. Es kam auf Initiative eines slowakischen Kunstprofessors zustande, der die Wurzeln des Pop-Art-Künstlers erforschte.  Diese liegen in Region nahe der ukrainischen Grenze. Warhols Eltern stammten von hier und wanderten nach dem ersten Weltkrieg nach Pittsburgh in den USA aus, wo Andy Warhol auch geboren wurde. Er selbst war nie in der Slowakei, doch seit 1991 widmet sich das Museum für Moderne Kunst seinem Leben und Werk. Wirklich eine coole und interessante Ausstellung in einem völlig unspektakulären und etwas vom Verfall angehauchten Gebäude. Wir begegnen hier nicht nur dem Pop-Art Künstler Warhol, sondern auch dem Street-Art Künstler Banksy und den bunten Männchen von Keith Haring.

 

Nach dem Kunstgenuss geht es hinaus in die Natur. Dort, im hintersten Winkel des Landes, liegt ein Buchen-Urwald, der auch zum UNESCO-Biosphärengebiet erklärt wurde. Einst war fast ganz Europa von diesen Wäldern bedeckt. Heute sagen sich in diesem entlegenen Winkel nicht nur Fuchs und Has, sondern auch Wolf und Bär, sowie Luchs und Elch Gute Nacht. Wir unternehmen eine schöne, aber auch anstrengende Wanderung in einer wunderbar herbstlichen Stimmung. Die Wälder färben sich von Tag zu Tag bunter. Noch sind wir an diesem Wochentag allein unterwegs und als wir auf Höhen von rund 1.000 Metern ankommen, wabern die Nebelschwaden um uns herum. Mit der Aussicht ist es damit nix. Doch dafür könnte jede Minute ein Bär oder ein Wolf auftauchen. Zum Glück haben wir unseren Vierbeiner dabei und hoffen, dass sein Beschützerinstinkt funktioniert und er sich im Notfall nicht hinter uns versteckt.

 

Wir haben (zum Glück) keine tierischen Begegnungen, sondern sehen nur jede Menge Pilze und einen Urwald, der tatsächlich sich selbst überlassen wird. Eine unglaublich faszinierende Naturlandschaft.

Wir sind damit am östlichsten Punkt unserer Slowakeireise angelangt und wenden uns nun wieder gen Westen zu. In die Ukraine einzureisen ist angesichts der Corona-Pandemie ohnehin nicht möglich. Die Grenzen nach Osten sind dicht und man lässt keine Reisenden herein. Auch zurück wäre es schwierig.

Insgesamt steigen auch in der Slowakei die Corona-Zahlen deutlich an. Wie uns ein Reisender aus Rumänien erzählte, wird inzwischen auch an den Grenzen bei der Einreise wieder verstärkt kontrolliert. Im Land selbst merken wir relativ wenig. Die Menschen halten sich weitgehend an die Mundschutzpflicht, überall stehen Desinfektionsspender. Nur mit dem Abstand hapert es etwas. Auffallend war in der Stadt Prešov, dass viele Menschen auch in der Fußgängerzone Mundschutz getragen haben. Dort scheint ein Corona-Schwerpunkt zu sein. Wir passen also weiterhin auf uns auf!

Somit wenden wir uns nun - nach gaaaanz viel Natur - wieder der Kultur zu, schauen uns hübsche Städte an, entdecken einen Geysir und lernen die weniger schönen Seiten des Landes kennen.

So gibt es in der Stadt Košice – ihres Zeichens europäische Kulturhauptstadt 2013 – ein Stadtviertel, in dem Sinti und Roma unter den erbärmlichsten Bedingungen leben. Die Plattenbauten sind teilweise einsturzgefährdet, es gibt keine Heizungen und nur unregelmäßig fließendes Wasser und Strom. Das Viertel gilt als größter Slum Europas. Auch im weiteren Umkreis der Stadt kommen wir bei unserer Weiterfahrt durch mehrere Roma-Dörfer. Ghettos, in denen sich die Menschen angesiedelt haben oder angesiedelt wurden. Die Zustände dort sind schier unglaublich. Es sieht aus, wie auf einer Müllhalde mit Bretterbuden.

Und uns wird wieder mal vor Augen geführt, wie gut es uns geht und dass gerade in Deutschland vielfach auf einem sehr hohen Niveau gejammert wird. Dabei brauchen wir gar nicht mit dem Finger zu zeigen. Wenn ich an die jüngsten Skandale in der Fleischindustrie denke, bekleckert sich unsere Wohlstandsnation auch nicht gerade mit Ruhm. Hier holt man die Menschen aus Osteuropa nach Deutschland und lässt sie ebenfalls unter unmenschlichen Bedingungen in den Schlachthöfen arbeiten sowie in billigsten Behausungen leben. Vom Menschenhandel mit Frauen ganz zu schweigen.

So – wieder mal genug politisiert. Aber solche Bilder sind wirklich erschütternd und gehören, so blöd das vielleicht klingen mag, zu den Reiseerlebnissen dazu. Ähnlich wie unser Flüchtlings-Erlebnis in Marokko öffnet es die Augen, macht nachdenklich und kritisch. Auch wenn dies in der heilen, bunten Social-Media-Insta-Welt in der Regel verschwiegen wird.

 

Nun aber zu den schönen Seiten des Reisens: wir hatten wieder einige interessante Begegnungen, die für uns das berühmte Salz in der Suppe des Reisens sind. So trafen wir Janine und Max, die eigentlich auf Weltreise sein wollten und nun – Dank Corona – Europa entdecken. Und Olga, die Studentin aus Kiew, die wir auf dem Kirchturm des Elisabeth-Domes in Košice kennengelernt haben. Sie hat uns spontan zu einer Stadtführung in Bratislava (wo sie derzeit lebt) eingeladen, wenn wir auf dem Rückweg sind. Mitten im Buchen-Urwald plauderten wir mit einem tschechischen Ehepaar über das Reisen im Allgemeinen und Offroad-Fahren im Besonderen. Ihr mattgrün lackierter Toyota Landcruiser parkte gleich neben unserem Mumin. Und nicht zu verschweigen die schönen Begegnungen mit netten und hilfsbereiten Slowaken, die uns in der Regel immer freundlich empfangen haben. Ausnahmen bestätigen die Regel 😉

 

Immer wieder schön, solche unerwarteten und unverhofften Begegnungen.

 

Inzwischen sind wir fast wieder zurück in der Mittleren Slowakei. An der imposanten Burg Zips, UNESCO-Weltkulturerbe, erlebten wir bei gemischter Wetterlage ein eindrucksvolles Naturschauspiel. Unser Schlafplatz liegt direkt unterhalb der Burg mit eigentlich fantastischer Aussicht. Der Spätnachmittag und Abend sind jedoch verregnet und somit auch der Blick auf die Burg nicht sonderlich ergiebig. Selbst als es gegen 19 Uhr schon stockdunkel ist, warten wir vergeblich auf die nächtliche Illumination des Bauwerks. Scheinwerfer sind jede Menge da. Irgendwann geben wir die Hoffnung auf, schließen die Rollos und widmen uns unseren PCs. Kurz vor dem Zubettgehen hört der Regen auf und ich werfe nochmal einen Blick nach draußen. Zum Glück – denn die Burg erstrahlt mittlerweile im Scheinwerferlicht, umweht von Nebelschwaden. Jetzt fehlt nur noch das Heulen der Wölfe und die Grusel-Atmosphäre wäre perfekt 😉

 

 Am nächsten Morgen sind wir von dichtem Nebel umgeben, der sich während des Frühstücks im Sekundentakt lichtet und wieder schließt. Immer wieder taucht die Silhouette der Burg aus den Wolken auf, dann verschwindet sie wieder. Einfach magisch. Und als wir als ziemlich erste Besucher des Tages hinaufsteigen, sind wir wieder von dichtem Nebel umgeben. Wir lösen dennoch die Eintritts-Tickets inklusive der Turmbesteigung und hoffen auf Besserung. Tatsächlich kämpft sich die Sonne nach und nach durch, so dass wir hier oben auf dem Travertin-Felssporn ein Naturschauspiel der besonderen Güte erleben. Herbstzeit eben.

 

Für uns geht es weiter in die südlichen Teile der mittleren Slowakei. Einst eine Bergbau-Region mit tiefen Schluchten und Höhlen. Ein wenig müssen wir uns nun sputen, denn viele der Attraktionen beenden die Saison und haben nur bis Ende September geöffnet. Leider macht das Wetter nun auch Kapriolen und wir hoffen bald auf einen stabilen, goldenen Oktober.

 


Slowakei Woche 7: Ein bisschen kreuz und quer durch die Lande oder: von den Schwierigkeiten, in Zeiten von Corona zu reisen

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Kommentare: 1
  • #1

    goldfish (Donnerstag, 01 Oktober 2020 16:19)

    wieder ein neuer schöner Bericht, danke
    weiter so, bin dabei

    Gruss
    goldfish