Schiff Ahoi! - Hausboot-Tour entlang der Meuse

 

Nach gut fünfwöchiger Recherche-Tour durch Luxemburg und Belgien wurde es Zeit für eine kurze Unterbrechung. Urlaub vom Reisen war angesagt und eine Woche lang tauschten wir den Mumin gegen ein Hausboot. Damit schipperten gemeinsam mit unseren Mädels durch die französischen Ardennen. Anders als die bekannteren Hausboot-Reviere am Canal du Midi im Süden, im Burgund, in Elsass-Lothringen oder in der Bretagne keine klassische Hausboot-Region, wie wir schnell merkten. Sehr untouristisch, sehr ursprünglich, sehr authentisch, sehr ruhig. Eine Landschaft zum Runterkommen. Doch beginnen wir diese Reise von vorn.

 

Von der belgischen Küste ging es auf dem schnellsten Weg rund 250 Kilometer zurück in Richtung Süden und hinüber ins Nachbarland Frankreich. In Pont-á-Bar, einem kleinen Hafen am Canal des Ardennes, übernahmen wir bei bestem Herbstwetter und noch angenehm warmen Temperaturen unser schwimmendes Zuhause. Pays des Sources, so der schöne Name des Hausbootes. Bis wir den Kahn eingeräumt, die gesamten Essens- und vor allem Getränkevorräte gebunkert und uns häuslich eingerichtet hatten, verging der Nachmittag wie im Flug. Hinzu kam eine kurze und knappe Einweisung in die Technik und dann konnte es auch schon losgehen. Von der freundlichen Dame der Charterstation bekamen wir den klugen Rat, erst ein paar Kilometer auf dem ruhigen Kanal bis zur nächsten Schleuse zu schippern, dort zu übernachten und am nächsten Morgen zurückzukommen, um die doch etwas zeitaufwändigere Schleusen-Einweisung zu bekommen. Danach könnten wir uns auf die Maas wagen. Eine sehr weise Entscheidung, denn so merkten wir schnell, was noch an Equipment fehlt und was wir noch aus dem Mumin holen müssen. Zudem konnte sich die Crew ein wenig „einfahren“.

 

Also schipperten wir knapp eine Stunde lang durch eine sehr ländliche und ruhige Region bis zur nächsten Schleuse. Dort die erste Herausforderung: Boot festmachen in freier Wildbahn ohne Anker-Poller. Kurzerhand wurden die Leinen zusammengeknotet und zwei Bäume am Ufer mussten herhalten. Dass wir Erdsprieße an Bord haben, entdeckten wir erst am nächsten Tag. Nun gut – in dieser Einsamkeit ist die Chance, dass sich des Nächtens ein Wanderer oder Radfahrer in den Leinen verheddert, eher gering.   

 

Der nächste Faux-Pas: Frank will unseren idyllischen Ankerplatz mit der Drohne filmen. Leider ist der Akku nicht mehr sonderlich willig und das Bienchen schnell auf dem automatischen Rückzug zur Homebase. Blöderweise sind gewaltig hohe Bäume im Weg, in die sich der fliegende Untersatz verirrt. Keine Chance, das Teil zu sichten. Geschweige denn herunterzuholen. Unter den Bäumen ist dichter Dschungel und sumpfiger Morast. Natur eben. Müssen wir wohl abhaken unter der Rubrik Äußerst dumm gelaufen.

 


 

Tag Zwei führt uns also zurück zur Charterstation, wo wir zunächst die fehlenden Utensilien aus dem Mumin holen. Dann kommt ein freundlicher junger Mann an Bord und erklärt uns die Handhabung der Schleusen. Sie sind weitgehend automatisiert, aber die Tipps sind trotzdem ganz hilfreich. Schließlich werden uns in den nächsten Tagen mindestens 50 Schleusen begleiten und für Abwechslung auf unserer Flusskreuzfahrt sorgen. Wir verinnerlichen also folgende Anweisungen:

 

 

  • Ausschau halten nach dem Sender zum Auslösen der Schleuse
  • Warten auf die grüne Ampel
  • Zielsicher in die enge Schleuse manövrieren, ohne irgendwo anzudeppern
  • Boot mit zwei Seilen sichern. Geht elegant, wenn man die Technik des Lassowurfes beherrscht und mit der richtigen Portion Zielwasser die Poller trifft.  Wenn Lassowurf nicht funktioniert, muss ein Crewmitglied das Boot mindestens ebenso elegant verlassen ohne das Manöver „Mann über Bord“ auszulösen.

 

  • Ist der Kahn gesichert und die Crew bereit, muss noch die Schleusung ausgelöst werden. Eine blaue Stange sollte dafür kräftig nach oben gedrückt werden. Keinesfalls sollte die rote Stange gezogen werden, denn das bedeutet „Notfall“. 
  • Im besten Fall schließen sich nun die Schleusentore, der Stöpsel wird gezogen, das Wasser fließt ab und man gleitet sanft nach unten. Bei der Bergfahrt funktioniert es genau umkehrt. Dann kann das hereinströmende Wasser das Boot jedoch ganz schön in Wallung bringen. Spätestens jetzt wissen wir, wozu die Seilsicherung gut ist.      

 

-       Am Ende öffnen sich die Tore wieder und wir können genauso zielsicher wieder nach draußen schippern.

 

Wenn jedoch die rote Ampel leuchtet, will die Schleuse nicht so, wie sie soll. Dann hilft nur noch ein Anruf beim Schleusendienst – der spricht französisch – und wohl dem, der die richtige Schleusennummer parat hat. Hilfe kommt in der Regel schnell und dann bedient der Techniker die Schleuse manuell. Alles klar?

 

Soweit also die Theorie. In der Praxis ist jede Schleuse doch wieder aufregend. Insbesondere weil wir fast jedes Mal interessierte Zuschauer in Form von Radfahrern, Bewohnern der netten Schleusenhäuser und Spaziergängern haben. Anscheinend sind Freizeitkapitäne hier tatsächlich nicht an der Tagesordnung. Und bei den Greenhorns gibt es immer was zu Gucken.

 

 

Wir passieren also stille Dörfer, außer uns sind keine anderen Boote unterwegs. Am Ufer grüßen freundlich die Angler und der Morgennebel macht allmählich der Herbstsonne Platz. Es ist ein ruhiges Dahingleiten und gegen Mittag erreichen wir die Stadt Charleville-Mézière. Es waren einst die Römer, die hier an der Straße von Reims nach Köln ein Kastell errichteten. Im Mittelalter wurde die Stadt ein wichtiges Wirtschaftszentrum und später mit einer Festung auch militärisch gesichert. Herzog Carlo I. Gonzaga  erhob Charleville zum Herzogsitz und ließ den prächtigen Place Ducale anlegen. Er ähnelt dem Place des Vosges in Paris und ist bis heute ein eindrucksvoller Platz mit 27 Gebäuden, dem Rathaus und etlichen Cafés und Bars in den Arkadengängen.

 

Uns empfängt die Stadt mit einer geballten Ladung an Menschen. Grund ist das Internationale Marionettentheaterfestival, das seit 1961 alle drei Jahre stattfindet. Überall in der Stadt verteilt sind Spielstätten mit Kleinkünstlern und Marionettenspielern, der Place Ducale ist Schauplatz eines sehr skurrilen Jahrmarktes mit Gauklern, Zauberern und Feuerspuckern. Eine sehr schräge Atmosphäre, die irgendwie an den Film „Charlie und die Schokoladenfabrik“ erinnert. Ich bin begeistert, meine Mitreisenden finden den Kulturschock nicht ganz so toll 😉 Wir ergattern ein freies Plätzchen für einen Café, schauen dem bunten Treiben zu und kehren wieder zurück auf die Einsamkeit unseres Bootes.

 

Weiter geht es bis nach Jogny-sur-Meuse. Dort ist die Schleuse außer Betrieb, auch der Anruf beim Service fruchtet nicht, denn dort hat man wohl schon Feierabend. Also schippern wir zurück zur Anlegestelle in Nouzonville, wo wir am Fuße einer Kirche übernachten.


Am nächsten Morgen gibt es dank dem Brötchenservice von Svenja und der Nähe zum Ort Baguette und Croissants zum Frühstück. Formidable! Nicht ganz so formidable ist das Wetter, das uns heute trüb und grau empfängt. Als uns das erste Boot entgegenkommt, starten wir in Richtung Schleuse, die heute Morgen manuell vom Servicedienst bedient wird.  Einen Landgang legen wir dann in Bogny-sur-Meuse ein. Die Maas macht hier eine Schleife und wartet mit einigen Aussichtspunkten auf. Saarschleife-á-la-Francaise sozusagen. Im Ort ist ein Flohmarkt mit Livemusik und wir genehmigen uns ein zweites Frühstück in Form von leckeren Pommes auf die Hand.

 

Leider wird das Wetter nicht wirklich besser und wir verzichten auf eine kleine Wanderung zum Aussichtsfelsen. Stattdessen mäandern wir weiter  bis zum hübsch angelegten Freizeithafen in Revin. Hier steht alles zur Verfügung, was der Hausbootfahrer so braucht. Frisches Wasser, Strom und warme Duschen. Alles gegen eine geringe Liegegebühr. Bei unserer Ankunft reißt sogar der Himmel auf, so dass wir unser Feierabend-Bier im Sonnenschein genießen können.


 

Der nächste Tag beginnt mit Regen und einer ganz besonderen Herausforderung. Bei Revin muss ein Tunnel durchquert werden. Zwar nur etwa 300 Meter lang und das Ende ist auch in Sicht, aber das Teil ist absolut unbeleuchtet, die Felswände sind glitschig, es tropft von oben und an den Wänden hängen undefinierbare Pflanzen oder was auch immer. Ziemlich spooky und da wir nicht daran gedacht haben, am Boot nach Beleuchtungsmitteln zu suchen, tapsen wir sprichwörtlich im Dunkeln. Langsam aber stetig manövriert die Crew durch den Tunnel und wir sind alle ziemlich froh, heil auf der anderen Seite anzukommen.

 

 

Was wir noch nicht wissen: es gibt auf unserer heutigen Route noch einen weiteren und auch längeren Tunnel. Diesmal allerdings finden wir den Lichtschalter am Boot, doch die trübe Funzel trägt nicht wirklich zur Erbauung bei. Auch hier haben wir alle die Hosen ein wenig voll und freuen uns, das Licht am Ende des Tunnels erreicht zu haben.
Weil uns das Wetter heute nicht wirklich hold ist und es trüb und regnerisch bleibt, verzichten wir auf einen Landgang und schippern durch bis nach Givet. Der Point of Return, denn ab hier geht es für uns wieder zurück. Givet ist der nördliche Zipfel in Frankreich und rundherum ist nun belgisches Territorium. Überragt wird die Stadt von einer Vauban-Festung, dem Fort de Charlemont. Auch die Maas ist hier nun zu einer stattlichen Größe angewachsen. Normalerweise legen hier wohl auch Flusskreuzfahrer und Binnenschiffe an, aber die Kais sind gerade verwaist. Leider sind die Anlegeplätze für Freizeitkapitäne nicht wirklich gepflegt, aber wir finden trotzdem ein ruhiges Plätzchen vor einem Wohnmobilstellplatz. Hier überstehen wir einen kräftigen Gewitterschauer, dann kommt die Sonne hervor und wir genießen einen wunderschönen Sonnenuntergang mit Blick auf die nachts beleuchtete Festung.

 


 

Annika und Svenja haben Frühsport-Ambitionen und erklimmen bei sehr frischen, einstelligen Temperaturen und Nebel die Festung. Die ist aber noch geschlossen, so dass die Ausbeute in Form von frischem Baguette und Croissants besteht. Nicht ganz schlecht, wie ich finde. Der Morgennebel verzieht sich bald und bis wir startklar sind, haben wir schon fast freie Sicht.

 

 

Unser heutiger Landgang findet in Fumay statt. Ein verschlafenes Städtchen, das wir um die Mittagszeit erreichen. Irgendwie ist alles wie ausgestorben, doch wir finden hier eine der größten Kirchen der Ardennen und ein Schloss der Grafen von Bryas. Im einzig geöffneten Restaurant gibt es eine Kaffeepause. Mittlerweile ist der Zeiger der Uhr auf 14.00 Uhr vorgerückt und tatsächlich erwacht der Ort aus der Mittagsruhe. Fast urplötzlich erscheinen Menschen auf der Straße, es fahren Autos und selbst die Katzen schleichen um die Ecken. Selbst hier im Norden ist die Mittagspause den Franzosen heilig.

 

 

Bien – für uns geht es weiter und wir genießen den Fluss nun aus der anderen Blickrichtung. Tatsächlich entdecken wir Dinge, die uns auf der Hinfahrt nicht aufgefallen sind. Ein mysteriöser Berg mit Drachenzacken oder Mausezähnchen oder was auch immer, interessante Felsformationen und Aussichtspunkte. Am Wegesrand ein wenig Birdwatching. Enten und Gänse gibt es zuhauf, wir scheuchen Fischreiher und Kormorane auf, auch ein Eisvogel kreuzt unseren Weg. Am Ufer weiden Kühe, Schafe und vereinzelt erblicken wir auch die kräftigen Ardenner-Pferde. Die beiden Tunnel-Durchfahrten meistern wir jetzt schon fast wie Profis und unser Tag endet wieder in Revin.
Diesmal haben wir auch Zeit, das Städtchen beim Landgang zu erkunden. Auch dies war eine einst blühende Industriestadt, von der jedoch nicht viel übriggeblieben ist. Wir sind immer noch auf der Suche nach einem Restaurant für ein gemeinsames Abendessen, doch leider werden wir auch hier nicht fündig. Somit ist unser Smutje Annika wieder gefordert, die diesen Job ganz wunderbar erfüllt.

 


Von Revin geht es zurück nach Charleville-Mézière. Unser Plan ist es, die Stadt abseits vom Menschentrubel zu erkunden und noch ein wenig die Vorräte aufzustocken. Mittlerweile haben wir auch eine der sehr seltenen Begegnungen. Wir treffen einen Briten, der allein mit einer kleinen Nussschale namens „Liberty“ unterwegs ist. Bei der ersten Begegnung steckt er in einer Schleuse fest, hat wohl kein Handy dabei und weiß nicht, wo und wen er anrufen soll. Wir leisten erste Hilfe und können den guten Mann bald aus der Klemme befreien. Im Laufe des Tages begegnen wir ihm mehrfach, schleusen auch mal gemeinsam und haben den Eindruck, dass der gute Mann mit dem Segen der Queen, aber sonst ohne Plan unterwegs ist.
In Charleville finden wir zwar auch kein Restaurant, doch dafür eine Bar, in der Bier-Tasting angesagt ist. Belgien lässt grüßen, aber die Franzosen brauen in diesen Breitengraden auch keinen schlechten Gerstensaft.

Donnerstag – unser vorletzter Tag an Bord. Wir beschließen, nicht gleich den Abzweig nach Pont-á-Bar zu nehmen, sondern noch bis Sedan zu fahren. Sedan ist eine größere Stadt mit Festungsanlage und trauriger Vergangenheit. Verdun ist nicht weit und hier fanden 1870 und 1940 erbitterte Schlachten in den Kriegen zwischen Deutschland und Frankreich statt. Die Reste der Maginot-Linie, die hier ganz in der Nähe verlief, sind noch zu erkennen. Bunker gibt es also nicht nur in Albanien. Im Zweiten Weltkrieg wurde Sedan stark zerstört und somit findet sich ein Mix aus alten Jugendstilgebäuden und uncharmanter Nachkriegsarchitektur.
Heute ist Sedan eine geschäftige Stadt, wir finden eine leckere Chocolaterie und auch ein Café für eine kleine Pause.  An der Anlegestelle begegnen wir auch wieder unserem britischen Freund, der nun ein Problem mit seiner Diesel-Versorgung hat. Da können wir ihm leider auch nicht wirklich helfen. Ein Blick in unsere Flusskarte zeigt ihm aber, wo er eine Chance zum Tanken hat. Dabei verlässt er in der Schleuse seine Nussschale, sichert sie auch nicht und ruckzuck dümpelt sie herrenlos im Wasser dahin. Mit vereinter Kraft kommt er wieder an Bord und zieht seiner Wege.

 

Und auch uns passieren nun zwei kleine Misslichkeiten. Erst übersehen wir das Schild mit dem Schleusen-Sender. Also umkehren und suchen. Dann schippern wir auch noch in den falschen Kanal. Am Ende hätten wir eine kleine Staustufe überqueren müssen. Nix für Hausboote unserer Größe. Einige Angler weisen uns ziemlich deutlich darauf hin, dass wir besser umkehren sollten. Das Schild, das uns den richtigen Weg weisen sollte, war vor lauter Grün nicht mehr zu erkennen. Glück gehabt!

 

So steuern wir wieder unseren ersten Übernachtungsplatz in the middle of nowhere an, wo wir eine letzte Nacht verbringen. Frank hält nochmal nach seiner verlorenen Drohne Ausschau – leider vergeblich – und am nächsten Morgen haben wir uns auch noch festgefahren. Mit vereinten Kräften und einigen Schubsern kommen wir frei. Allrad wäre auch auf dem Wasser hilfreich😉


Ja – die Hausboot-Woche ist nun viel zu schnell vorbei. Zeit, ein kleines Fazit zu ziehen.

Wettertechnisch hatten wir für Ende September absolutes Glück. Abgesehen von ein paar Regenschauern und merklich kühleren Temperaturen im Laufe der Woche konnten wir die meiste Zeit an Deck verbringen und somit die Natur und Landschaft hautnah genießen. Die Region in den französischen Ardennen war noch sehr ursprünglich und ruhig. Wir hatten in der Nebensaison keine Wartezeiten an den Schleusen, keine Probleme mit den Anlegeplätzen und wie uns die Dame von der Charterstation versicherte, ist dies auch im Sommer ein eher stilles Hausbootrevier. Verstehen können wir es nicht, denn die Landschaft ist reizvoll und abwechslungsreich. Très francais eben.

Die Crew bewältigte die Herausforderungen meisterlich und abgesehen von ein paar kleinen Remplern sehr professionell. Vielen Dank an Skipper Lea und Svenja sowie Smutje Annika!

 

Schön war’s auf unserer Fluss-Kreuzfahrt bei gefühlt 1000 Runden Kartenspiel „Phase 10“ am Abend, regelmäßigen Sekt-Frühstücken mit Häppchen und Bier-Tastings, Schleusen-Auf-und-Abs sowie Baguette und Croissants. Á la prochaine!




Kommentare: 1
  • #1

    goldfish (Donnerstag, 07 Oktober 2021 14:54)

    Hi ihr lieben,
    schön war's, weiter so :-)

    Gruss
    goldfish