Von schlechten Straßen, herzlicher Gastfreundschaft und einer neuen Lieblingsstadt

Provencalische Gefühle in Albanien – geht das? Ja, es geht. Und wie! Ich habe eine neue Lieblingsstadt, in der ich sofort leben würde. Es ist Korça. Ganz im Osten des Landes. Griechenland und Nordmazedonien sind nicht weit. Umgeben von hohen Bergen in einer Ebene voller Obstplantagen und blühenden Kirschbäumen auf 850 Metern Höhe gelegen. Charmant, jung, überraschend modern und sauber. Klar, es gibt auch hier ein paar Schmuddelecken. Aber wo gibt’s die nicht. Kurzum: Korça war eine Liebe auf den ersten Blick. Einzig der Weg hierher war ein wenig beschwerlich.

Von Süden kommend gibt es nur eine einzige Straße hierher. Die SH 75. In einschlägigen Foren als schlechteste Straße Albaniens, als „the-most-dangerous-road“ klassifiziert, weckte sie bei uns nicht wirklich Begeisterungsstürme. Würden wir das mit dem Mumin schaffen? 130 Kilometer sind ja eigentlich kein Ding. Doch diese von Schlagloch zu Schlaglock zu hoppeln??? Wir sind gespannt und wir haben ja keine Eile. Insofern machen wir uns guten Mutes auf den Weg. Was uns tatsächlich erwartete, war dann schon eine Hausnummer. Eine Berg- und Talfahrt mit kurvigen Pässen, Durchschnittsgeschwindigkeiten von 15-20 km/h und einer Fahrbahnbreite von maximal 5 Metern. Tendenz eher weniger. Leitplanken an den Bergstrecken auch nicht wirklich vorhanden und der Fahrbahnbelag teilweise nur rudimentär vorhanden. Zwischendurch dann wieder nagelneue Abschnitte, bei denen der Asphalt gerade trocken war. Da freut man sich unbändig, mal für ein paar Kilometer dahinzuschweben wie auf Wolke Sieben.

ABER: landschaftlich ist diese Route wirklich der Knüller. Ganze zwei Tage benötigten wir für die Strecke - und jeder Kilometer hat sich gelohnt.

Für die Zwischenübernachtung haben wir uns dann Camping auf dem Bauernhof ausgesucht. Auf Neudeutsch heißt das Agrotourism. Wie auch immer man das Kind nennen mag - wir sind umzingelt von Enten und Gänsen, Hühnern, Schafen und Ziegen. Die Kühe und ihre großen Herdenschutzhunde sind um die Ecke, die Natur phänomenal und das Beste: es gibt Forellenteiche, in denen uns das Mittagessen fangfrisch geangelt wird !!!

Ganz am Ende erreichen wir einen Pass auf etwa 1.200 Metern Höhe und dahinter erwartet uns eine völlig andere Welt. Wie nach einer Mondlandung befinden wir uns auf einer nagelneuen, mehrspurigen Straße und auch die Landschaft mutet hier eher an, wie auf dem Mars. Geröll und Fels in den unterschiedlichsten Farbtönen. Wir können nicht so ganz ausmachen, ob das ein Werk der Natur oder des Menschen ist. Immerhin wird hier gerade an einem weiteren Straßenbauprojekt gearbeitet. Egal, wir schweben dahin ins Tal und rollen völlig tiefenentspannt auf Korça zu. Etwa zehn Kilometer vor der Stadt möchten wir uns noch Hügelgräber anschauen. Die größten des Südostbalkans sollen es sein und ähnlich den Keltensiedlungen im süddeutschen Raum. Eine freundliche Dame empfängt uns am Tor, öffnet die Tür zu einem kleinen Museum und begleitet uns auf dem Rundgang durch das Gelände. Die Verständigung ist schwierig. Aber irgendwie klappt es mit Händen und Füßen. Plötzlich pflückt sie etwas vom blühenden Löwenzahn und steckt in mir hinters Ohr. Dann beschenkt sie uns mit einer Tonschale, die hier im Rahmen von museumspädagogischen Veranstaltungen gefertigt werden. Ein blühender Kirschbaumzweig kommt noch dazu. Und immer erklärt sie uns die albanischen Namen dafür. Als wir schon zurück am Mumin sind, nimmt sie mich am Arm und entführt mich regelrecht. Sie wohnt in der Nachbarschaft und schwupp – landen wir im Wohnzimmer von Mondi und Shep. Wir sind zum Mittagessen eingeladen und Shep tischt auf, was die Küche hergibt. Lakror – eine typische Spezialität und eine Art Pastete, gefüllt mit Schafskäse, Eiern, Petersilie und anderen Kräutern. Echt lecker! Dazu gibt es albanischen Ayram, also Joghurt mit Salz und Wasser. Zum Nachtisch Kirschkompott. Und weil es mit der Verständigung hapert, wird kurzerhand die Enkelin Gloria in Fulda per Videocall zugeschaltet, um zu dolmetschen. Am Ende packt uns Shep noch weitere Köstlichkeiten ein und wir sind fast schon beschämt, ob dieser herzlichen Gastfreundschaft. Kaum zu glauben, von wildfremden Menschen einfach so eingeladen zu werden. Diese Begegnung wird uns ganz bestimmt noch lange im Gedächtnis und im Herzen bleiben.

 

In Korça finden wir dann einen schönen Stellplatz bei einer caritativen Organisation, in der wir dankbare Abnehmer für unsere Kleider- und Spielzeugspenden finden. Von hier aus können wir die Stadt bequem erkunden und sind sofort begeistert. Es gibt einen großen, grünen Stadtpark, Treffpunkt und Flaniermeile für die Einheimischen. Es gibt wunderschöne Gebäude und Bürgerhäuser, die uns schnell an Frankreich denken lassen. Und es gibt einen alten Basar, der ebenfalls von hübschen Gebäuden flankiert ist. Der zentrale Platz mutet mit seinen vielen Cafés und Restaurants fast schon an, wie ein Dorfplatz irgendwo in der Provence. Und es gibt eine Brauerei, in der mit deutschem – genauer: bayrischem – Know-How Bier gebraut wird. Dazu ein wunderschöner Biergarten mit deftigen Speisen. Das wiederum ist gut gegen Heimweh und trägt dazu bei, dass wir uns hier so wohl fühlen.

Die umliegenden Bergdörfer erkunden wir dann wieder mit einem kleinen Bruder des Mumin. Wir haben ihn diesmal Mumerich getauft. Er ist größer als das Muminchen, aber immer noch kleiner als der große Mumin ;)

Zwar wären alle Orte auch mit unserem Großen erreichbar, aber so sparen wir Zeit und vor allem Diesel. Und die Tour in die Berge lohnt sich tatsächlich. Hier verstecken sich etliche orthodoxe Kirchen, alte Steinhäuser und eindrucksvolle Landstriche.

Und mit diesen wahren Sprüchen, die wir in einem Fenster in Korca entdeckten, sagen wir Tschüss für heute.

Mittlerweile sind wir am Ohrid-See angekommen. Die griechische Grenze liegt hinter uns, die nordmazedonische neben uns und die kosovarische vor uns. Es gäbe hier noch sooo viele spannende Regionen zu entdecken, doch leider (oder zum Glück) macht uns da Corona einen kleinen Strich durch die Rechnung. Die Grenzen nach Griechenland sind immer noch dicht, Nordmazedonien würde gehen, doch bei der Rückkehr nach Albanien drohen 14 Tage Quarantäne. Und über den Kosovo denken wir gar nicht erst nach. Wir genießen also weiterhin Albanien mit all seinen liebenswerten Erlebnissen und Landschaften. Doch wir werten es als Zeichen, nochmals hierher zu kommen.

 

In diesem Sinne ein herzliches Grüßle nach Hause und die Geschichte von unserer heutigen Bootstour, durch die die Grenzpolizei einen Strich gemacht hat, erzählen wir dann nächstes Mal.

 


Und hier geht's weiter zu unseren nächsten Erlebnissen


Kommentare: 1
  • #1

    goldfish (Sonntag, 02 Mai 2021 11:04)

    hi ihr beiden,
    macht weiter so, ich "fahre" gern noch ein bisschen mit

    bleibt gesund
    Gruss
    goldfish