Nach unserer Reise durch das Baskenland sind wir in Kantabrien angekommen. Berge und Meer kennzeichnen die Autonome Gemeinschaft und hier sind die Wege zwischen Meerjungfrauen und Bergfexen tatsächlich sehr kurz. Immer wieder unternehmen wir Abstecher ins Hinterland, um dort eine faszinierende Berglandschaft und UNESCO-gekürte Höhlen mit Felsmalereien zu entdecken. Ein wirklich abwechslungsreicher Landstrich.
Besonders überrascht und begeistert sind wir von der Hauptstadt Santander. Zwar ist uns dort Wettergott Petrus nicht wirklich hold, aber damit haben wir uns inzwischen im Nordwesten Spaniens bereits arrangiert. Wir kennen nun wohl so ziemlich alle Aggregatszustände von Regen. Mal leise nieselnd aus tiefhängenden Wolken, mal tröpfelnd und mal als sintflutartiger Sturzbach. Bei der Fahrt durch die Berge kommen wir uns immer wieder vor wie in einem tropischen Regenwald. Nebelschwaden zwischen den Berghängen, üppiges Grün, mit Flechten und mit Efeu umrankte Bäume. Immer wieder magisch.
Doch zurück zu Santander. Die Stadt, die mit dem bekannten Bankhaus Santander nicht nur namentlich verbunden ist. Die Gründerfamilie Botín hat hier eine Stiftung und mit dem Centro Botín einen Tempel der modernen Kunst geschaffen. Überhaupt steckt viel Geld in der Hafenstadt, was man an überaus gepflegten Stränden, hübschen Promenaden und der Halbinsel La Magdalena mit der royalen Sommerresidenz merkt. Eine überraschend grüne Stadt mit Seebad-Flair, ausgedehnten Parks und Grünanlagen. Uns gefällt Santander ausnehmend gut und scheint eine Stadt mit viel Lebensqualität zu sein.
Über den Wolken
Vom Glück verfolgt werden wir beim Abstecher an den Ebro-Stausee. Nach dem Besuch der Ebro-Quelle zieht es uns bei mäßigem Wetter und leichtem Nieselregen weiter hinauf in ein Skigebiet. Dort erhoffen wir uns eine ruhige Nacht auf einem Aussichtsparkplatz. Diesen erreichen wir bei dichtem Nebel in fast 2.000 Metern Höhe. Bleiben oder umkehren ist die Frage. Da es bereits dämmert und wir sowieso nix sehen, entscheiden wir uns zum Bleiben. Pünktlich zum Sonnenuntergang reißt die dicke Wolkendecke auf und wir dürfen ein grandioses Naturschauspiel über den Wolken erleben. Da hatten wir wohl den richtigen Riecher!
Ein Highlight Kantabriens sind natürlich die Picos de Europa mit ihren bis zu 2.650 Meter hohen Gipfeln. Der Mumin kommt hier aber an seine Grenzen, denn viele Straßen dort sind sehr schmal, kurvenreich und steil. Wäre alles zu schaffen, vorausgesetzt, es kommt kein Gegenverkehr 😉
Allein die Zufahrtsstraße durch die spektakuläre Schlucht Desfiladero de la Hermida ist bei unserem Besuch eine einzige Baustelle. Die Straße ist an sich schon eine Engstelle, wie sie sich da durch die Schlucht windet. Tief unten rauscht der Wildfluss Deva, über uns türmen sich die Felsmassen. Jetzt aber wird der Verkehr durch Ampeln und Bauarbeiter blockweise einspurig durch die Schlucht geleitet. Immerhin ohne Gegenverkehr 😉 Doch immer wieder schauen wir mit bangem Blick an oben, ob es an den Felsüberhängen vorbei reicht. Ausweichen ist auch nicht möglich, da die Gegenspur mit Baufahrzeugen, tiefen Absätzen und Absperrungen blockiert ist. Immerhin können wir während der Rot-Phasen der Ampel einen bewundernden Blick auf dieses eindrucksvolle Naturwunder werfen. Schweißperlen vergießen wir trotzdem.
In den Picos schnüren wir die Wanderstiefel, schaukeln auf der größten Schaukel Spaniens und genießen die Aussicht auf der schönsten Bank Kastilien und Leóns. Ja – die Picos teilen sich gleich drei Anrainer-Gemeinschaften und somit überqueren wir dort auch die Grenze in das Fürstentum Asturien. Es nimmt eine gewisse Sonderstellung innerhalb der Autonomen Gemeinschaften Nordspaniens ein. Hier begann im 8. Jahrhundert die Rückeroberung der maurisch besetzten Gebiete Spaniens, weshalb Asturien gerne auch als »Wiege der spanischen Nation« bezeichnet wird. Besonders deutlich wird das im Wallfahrtsort Covadonga, von wo aus mit der siegreichen Schlacht von Covadonga der erste asturische König Pelayo die Reconquista einläutete.
Covadonga ist ein Touristen-Hotspot, wozu auch die wunderschönen Bergseen Lagos de Covadonga beitragen. Da wir bei unserer Picos-Umrundung absolutes Wetterglück haben, nutzen auch wir die Chance, mit einem Wandertaxi hinaufzufahren und uns in dieser grandiosen Bergwelt ein wenig umzuschauen. Privatfahrzeuge dürfen dort zwischen Ostern und Oktober nur noch sehr eingeschränkt bzw. überhaupt nicht mehr hinauffahren. Angesichts der 15prozentigen Steigungen auf 12 Kilometern hätten die Diesel-Kosten für den Mumin das Taxigeld ohnehin überschritten….
Die Taxifahrer sind wohl alle bei Fernando Alonso in die Lehre gegangen, denn sie brettern die Strecke im Blindflug rauf und runter. Dass auch Reise- und Linienbusse die Bergstraße bevölkern, stört nur wenig. Und die freilaufenden Kühe werden souverän in Slalom-Manier umkurvt. Wer bremst, verliert.
Wir kommen heil oben an und tatsächlich steppt hier selbst in der Nachsaison an einem Wochentag bei Kaiserwetter noch der touristische Bär. Doch wenn man sich nur wenige Meter abseits der Massen auf den Wanderwegen bewegt, kann man noch ein wenig Bergeinsamkeit genießen. Ist zugegebenermaßen aber nicht einfach, denn wir staunen dann doch sehr über einige Zeitgenossen.
Einer kommt mit seiner Boom-Boom-Box daher und übertönt das beruhigende Bimmeln der Kuhglocken mit dröhnendem Heavy-Metal-Sound. Zwei Reisebusgruppen trampeln querfeldein über die Almwiesen, auf denen gerade die Herbstzeitlosen zu blühen beginnen und auch noch etliche andere Pflänzlein gedeihen. Dass eine Frau dabei in die Hinterlassenschaft einer Kuh tapst und sich darüber auch noch tüchtig echauffiert, geschieht ihr eigentlich recht. Überall sind Wanderwege angelegt und ausgewiesen. Aber so ist das nun mal mit dem Overtourism, zu dem in diesem Fall auch wir gehören.
Von Covadonga geht es für uns wieder zurück an die asturische Küste, wovon wir dann beim nächsten Mal erzählen.