Von Batumi nach Kaspi - Unsere ersten Tage in Georgien

Mittlerweile ist es Oktober geworden und wir sind nun schon mehr als zwei Wochen in Georgien unterwegs. So vieles haben wir bereits in diesem bezaubernden Land erlebt. Den heutigen Regentag möchte ich nun nutzen, einen Rückblick auf unsere ersten Tage in Georgien zu werfen.

Die beginnen gleich mit einem kleinen Kulturschock. Vieles hätten wir von diesem kleinen Kaukasus-Land erwartet. Nicht aber eine Stadt wie Batumi. Nach unserem Grenzübertritt aus der Türkei begrüßt uns die Metropole am Schwarzen Meer mit einer Mischung aus fernem Orient, westlichem Glamour und östlicher Armut. Wohl nirgends sonst in Georgien liegen die Kontraste so nah beieinander wie in Batumi.

Hier ticken die Uhren sprichwörtlich anders und wir müssen sie gleich mal um eine Stunde vorstellen. Dann geht es für uns hinein in eine chaotische Rush-Hour. Um unseren auserkorenen Übernachtungsplatz am Hafen zu erreichen, müssen wir mitten durch das Zentrum. Ob wir da mit dem Mumin immer ganz legal unterwegs sind, darf sicher bezweifelt werden. Doch hier herrscht das Motto: „Der Stärkere gewinnt“ – und das sind in diesem Fall wir 😉

Unseren Parkplatz erreichen wir unbeschadet, aber doch leicht gestresst. Wir stehen direkt an der Strandpromenade mit Blick auf Riesenrad, Alphabet-Tower und Hochhaus-Skyline.

Nach einer kleinen körperlichen und geistigen Regeneration zieht es uns zum Sonnenuntergang an die Strandpromenade. Mehr als sieben Kilometer ist sie lang und lädt zum Flanieren ein. Was uns erwartet sind glitzernde, leuchtende Fassaden, eine Kakophonie aus Technopop, Open-Air-Konzert, Automaten-Gedudel, Lärm und Gejohle. Sehr viele russische und türkische Touristen sind hier unterwegs, beide in Georgien nicht überall wohlgelitten, wie wir später noch feststellen werden. Aber auch arabische und asiatische Gäste sind zu finden.

 

Es gibt auch wieder „Bier auf Hawaii“ und wir gönnen uns ein Glas, um die überwältigenden Eindrücke auf uns wirken zu lassen. Dachten wir, Istanbul wäre ein Schmelztiegel der Kulturen, so wird das von Batumi noch getoppt. Hier wirkt jedoch alles sehr viel westlicher, es gibt europäische Markenartikel wie Jacobs-Kaffee und Carrefour-Supermarkt, Hotelketten wie Radisson-Blue und Co. sind ebenfalls vertreten. Wir Landeier sind wieder einmal erschlagen von dem Tohuwabohu um uns herum und fallen, trotz lauter Techno-Party am Strand, alsbald in den Tiefschlaf.

Batumi Tag Zwei

Gemeinsam mit unseren neuen Reisebekannten Karin und Klaus von www.auszeit-reise.eu machen wir uns heute auf den Weg in Batumis Altstadt. Dort sollen so nebensächliche Dinge wie SIM-Card, Bargeld und ein wenig Sightseeing erledigt werden. Das mit der SIM-Card geht erstaunlich unkompliziert. Für vier Wochen Internet unlimited bezahlen wir ganze 12 Euro. Geht doch!

Die Altstadt Batumis entpuppt sich als eine charmante Mischung aus alten Jugendstilbauten, verschnörkelten Eisenbalkonen, hippen Bars und Restaurants, Streetart und kleinen Läden. So stelle ich mir Berlin Kreuzberg vor, obwohl ich noch nicht dort war 😉

Wir trinken gemeinsam noch einen Kaffee auf der neuen, aber auf alt getrimmten Plaza mit venezianischem Turm und einem riesigen Mosaik in der Mitte. Vom Turm ertönt regelmäßig die georgische Nationalhymne und die umgebenden Gebäude ähneln den französischen Loire-Schlössern. Ein bunter Stilmix.

Beim nachmittäglichen Bummel über die Strandpromenade entdecken wir noch weitere Eyecatcher. Noble Hotels, hübsche Gärten und Grünanlagen mit plätschernden Brunnen und Wasserspielen. In der Altstadt wird es Zeit für eine Einkehr in einem Restaurant, in dem wir uns erstmals mit georgischen Spezialitäten verwöhnen lassen. Wir futtern uns quer durch das Angebot, bekommen Kingali (Teigtaschen), Hühnersuppe, ein köstliches Bohnenpüree im Tontopf, Kebab im Pfannkuchen, Salat, Saucen, Dips… alles überaus lecker. Da wir so ausgehungert waren, gibt’s von dieser georgischen Premiere leider keine Fotos 😉

 

Am Nachbartisch sitzen zwei Männer, die schon ein wenig dem georgischen Wein zugesprochen haben. Einer davon spricht etwas deutsch und schnell sind wir in ein Gespräch verwickelt. Sie erzählen von ihrem Land, fragen uns, welches deutsche Bier am besten ist, es wird ein wenig politisiert, auf die Russen geschimpft und dann gibt es einen Trinkspruch auf die Freiheit und den Frieden in der Welt. Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen!


Faulenzertage zwischen Batumi und Vani

Nach dem Großstadttrubel zieht es uns wieder hinaus in die Natur. Nur wenige Kilometer außerhalb der Stadt liegt der Botanische Garten von Batumi. Er soll der zweitgrößte Georgiens sein und entpuppt sich tatsächlich als ziemlich ausgedehnt. Mehr als 3.200 Baumarten gedeihen in dem subtropischen Klima der Schwarzmeer-Küste. Darunter Bambus, Mammutbäume, asiatische Pinien und Kastanien. Immer wieder gibt es Ausblicke auf das Meer. Mehr als zwei Stunden bummeln wir durch dieses grüne Paradies.

Danach geht es noch gut 40 Kilometer an den schwarzen Strand von Ureki. Der Sand dort soll sogar magnetisch sein. Die Fahrt ist etwas abenteuerlich, denn die Georgier haben einen sehr gewöhnungsbedürftigen Fahrstil. Überholt wird auf Teufel komm raus, aus zwei werden drei und vier Spuren gemacht, mitten auf der Schnellstraße flanieren ganze Kuhherden oder liegen seelenruhig wiederkäuend auf der Fahrbahn. Mit kurzfristig abbiegenden Geisterfahrern ist ebenfalls zu rechnen. Spannend!

Den Strand erreichen wir über eine enge Einfahrt in einer Mauer. Dahinter dicht stehende Bäume eines kleinen Pinienwaldes und ein überfluteter Sandweg. Bevor Frank den Mumin da hineinsteuert, parkt er mitten in der Einfahrt und erkundet die Lage zu Fuß. Es dauert nicht lange, da hupt es vor mir und hinter mir. Der Mumin blockiert alles. Mir bleibt also nichts anderes übrig, als die Seite zu wechseln, den Motor anzuwerfen und unser Dickschiff wagemutig zwischen zwei Bäumen hindurch aus dem Weg zu manövrieren.  Es klappt ohne Blessuren, aber die Herren der Schöpfung (einschließlich Frank) schauen ganz schön erstaunt. Selbst ist die Frau 😉

Der Strand ist wunderbar und wir verbringen dort einen schönen, faulen Restsonntag mit Meeresrauschen und Sonnenuntergang. Ein Paar aus Kasachstan spricht uns an. Die beiden leben in Hamburg und machen gerade Urlaub in Georgien. Wir plaudern ein wenig nach dem woher und wohin, sie erzählen ein bisschen wehmütig von ihrem Heimatland und was wir uns hier noch anschauen sollten. Wieder eine schöne, spontane Begegnung.

Vom schwarzen Strand fahren wir weiter in die Nähe von Osurgeti. Dort betreibt ein deutsches Auswandererpaar einen kleinen Campingplatz. Besser gesagt, sie bieten Stellplatzmöglichkeiten in ihrem paradiesischen Garten, haben Dusche und Waschmaschine und helfen auch sonst mit Rat und Tat. Genau der richtige Ort, um vor unserem Familientreffen ein paar Tage Haushalts- und Büroarbeit zu erledigen. Karin und Klaus sind schon dort, die Männer werkeln an den Fahrzeugen, wir waschen, backen und sitzen gemütlich zusammen, um Reiseerlebnissen auszutauschen. Schön war’s!


Wellness-Tage in der warmen Schwefelquelle bei Vani

Nach der Arbeitspause geht es etwa 80 Kilometer weiter zu den warmen Schwefelquellen von Vani. Unterwegs werden die Vorräte wieder aufgefüllt. Dabei sind wir überwältigt von der belgischen Bierauswahl. Auch andere europäische Marken sind stark vertreten und die Abteilung mit Alkoholika nimmt fast die Hälfte der Supermarktfläche ein. Wir bekommen aber auch Räucherfisch, Gemüse und Tiefkühl-Kingali. Die georgischen Maultaschen möchten wir uns am Abend in der Brühe zubereiten. Was uns noch auffällt: Die Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Hülsenfrüchte, Reis und sogar Kaffee werden offen angeboten. „Unverpackt“ nennt sich das zuhause auf Neudeutsch.

 

Auf der Weiterfahrt überqueren wir einen bewaldeten Höhenzug mit etlichen Nuss- und Maulbeerbäumen. Die Strecke ist weitgehend gut ausgebaut, aber ziemlich kurvig. Landschaftlich jedoch wunderschön. In den wenigen Dörfern gibt es kleine Tante-Emma-Läden, auf der Straße tummeln sich Kühe, Pferde, Schweine, jede Menge Hunde und erstmals auch eine ganze Gänseschar. Es ist schon bewundernswert, mit welcher Gemütsruhe die Viecher teilweise mitten auf der Fahrbahn stehen oder liegen. Georgien von seiner ursprünglichen Seite.

So erreichen wir schließlich unser Etappenziel, die warmen Schwefelquellen bei Vani. Sie sind etwas kleiner, als ich es mir vorgestellt hatte, aber die Umgebung ist toll. Wir finden einen schönen Übernachtungsplatz etwas abseits der milchig blauen Badebecken. Frank steigt dann auch gleich bei über 30 Grad Außentemperatur in das 40 Grad heiße Wasser. Ich verschiebe das Badevergnügen lieber auf den nächsten Morgen.

 

Wir sind umgeben von Pferden, Hunden und Kühen. So langsam hege ich den Verdacht, dass in Georgien mehr Kühe als Menschen leben. Abends tuckert ein Traktor vorbei, der Bauer stoppt und wirft Frank eine zentnerschwere Wassermelone zu. Meine bessere Hälfte geht fast in die Knie, als er das Monstrum fängt. Für die nächsten Tage sind wir mit Vitaminen versorgt und wir beschließen spontan, hier noch einen Faulenzertag dranzuhängen. Auch der endet damit, dass wir eine weitere Wassermelone zugeworfen bekommen 😉


Von der Schwefelquelle nach Gori

Nach einem fulminanten Sonnenaufgang mit Nebelschwaden über dem warmen Wasser wird es Zeit für die Weiterfahrt. Gut 170 Kilometer sind es bis nach Gori. Wir denken, dass diese Strecke auf der Autobahn in Richtung Tibilis schnell erledigt ist. Doch es kommt mal wieder ein wenig anders.

 

Zunächst durchqueren wir auf der Autobahn tatsächlich recht zügig die Kolchische Tiefebene. Dann geht es hinauf in ein Bergmassiv, welches auch die Wasserscheide zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer ist. Unsere Autobahn endet dann ziemlich abrupt und entwickelt sich zu einer Riesenbaustelle. Chinesische Firmen buddeln Tunnel, bauen Brücken, asphaltieren und betonieren. Teils recht abenteuerlich wie ein gigantisches Flickwerk. Ob das je fertig wird??? Wie es scheint, sind georgisches Arbeiter für die niedrigeren Tätigkeiten zuständig. Sie pinseln tatsächlich von Hand mit einer Walze die Tunnelwände.

 

Unsere Straße ist derweil eine löchrige und holprige Bahn, auf der mal wieder haarsträubend überholt wird. Die Kühe flanieren auf der gegenüberliegenden, bereits fertigen Fahrbahn. Die klugen Rindviecher wählen mal wieder den bequemeren Weg. Das Ganze erstreckt sich über fast 80 Kilometer und so kommen wir langsamer voran als gedacht. Zum Glück gibt es immer wieder Versorgungsstationen. In einem Ort gibt es reihenweise kleine Holzhäuschen, aus denen heraus ein ofenwarmes Hefegebäck verkauft wird. Eine Art süßes Fladenbrot mit Gewürzen und Rosinen gefüllt. Extrem lecker!!!

So erreichen wir schließlich Gori. Die Geburtsstadt Stalins kommt dann auch sehr sowjetisch daher. Dem berühmten Sohn der Stadt sind ein ganzes Museum, eine Park sowie eine Hauptstraße gewidmet. Nicht zu jedermanns Freude, wie wir wenig später bei einer freewalking-tour erfahren. Besonders die jüngere Generation würde sich eine fundierte, historische Aufarbeitung der Vergangenheit wünschen. Man hegt hier eine große Solidarität mit der Ukraine, denn Gori teilt ein ähnliches Schicksal. Die Stadt wurde im Kaukasus-Krieg 2008 von den Sowjets besetzt und stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Spuren davon sind noch heute zu sehen. Gori liegt nur wenige Kilometer südlich der weiterhin besetzten Region Südossetien. Das alles aus der Sicht einer Einheimischen zu erfahren, den Unabhängigkeits- und Freiheitswillen der Georgier zu spüren, ist interessant und eindrucksvoll.


Höhlenstadt Uplistsikhe

Nächster Etappenstopp ist die Felsen- und Höhlenstadt Uplistsikhe. Sie liegt nur wenige Kilometer südlich von Gori und wir finden dort einen schönen Übernachtungsplatz am Fluss. Morgens werden wir von mehreren Schaf- und Rinderherden geweckt. Anscheinend stehen wir mitten in ihrer morgendlichen Route an die Tränke. Links und rechts ziehen sie am Mumin vorbei, der dann auch den einen oder anderen Rempler abbbekommt.

Die Höhlenstadt erstreckt sich ziemlich eindrucksvoll in einem Felsen, der hoch über den Fluss aufragt. Sie war bereits in der Bronzezeit besiedelt und zählt zu einer der ältesten Städte Georgiens. Später wurde sie zu einem wichtigen Handelsplatz an der Seidenstraße. Die Besichtigung ist beeindruckend und abenteuerlich zugleich. Die Wege auf dem blankpolierten Felsen können bei Regen halsbrecherisch sein, es geht treppauf und treppab und wir haben immer wieder Ausblicke auf eine karge Landschaft mit erodierten Felsen, die uns an Marokko erinnert. Unten am Fluss gibt es grüne Gärten und Viehweiden. So oder so ähnlich stelle ich mir die biblischen Landschaften vor.

Dann fahren wir die restlichen 30 Kilometer bis nach Kaspi. Wir haben bereits die Info erhalten, dass unsere Mädels mit Freunden gut in Georgien gelandet sind. In Kaspi beziehen wir einen Stellplatz oberhalb eines Weingutes, wo wir am Abend unser Familientreffen starten. Ab jetzt heißt es zwei Wochen lang gemeinsam Georgien entdecken. Das ist dann eine andere Geschichte.



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