Von hohen Bergen, tiefen Schluchten und klaren Seen

 

Von der Wüste der Sahara und den wunderschönen Oasentälern im Süden machten wir uns auf den Weg über den Hohen und Mittleren Atlas in Richtung Norden. Die Gebirgsregion ist geprägt von eindrucksvollen Schluchten. Entstanden in Jahrmillionen durch Erosion, Wind und Wasser. Die Dades-Schlucht und die Todra-Schlucht sind wohl die beiden bekanntesten des Landes.

 

Leider gab es Ende August sehr starke Unwetter in der Schluchten-Region, wodurch die Straße der Dades-Schlucht sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wir hatten Hoffnung, dass die Reparaturen bis zu unserer Ankunft im Oktober abgeschlossen sein würden und wir die Strecke in die Dades-Schlucht würden befahren können. Eventuell sogar die Verbindungspiste zur Todra-Schlucht. Doch andere Reisende berichteten uns mehrfach, dass die Dades-Schlucht immer noch gesperrt wäre. Ein Einheimischer dagegen ermunterte uns, die Pistenstrecke zu befahren. Gemäß dem Motto: „Mit eurem Dromedaire kommt ihr überall durch“. Was also tun?

 

Am Ende siegte die Vernunft. Wir wollen weder uns noch unseren Mumin in Gefahr bringen. Und wo offizielle Schilder ein Verbot aussprechen, da halten wir uns auch dran. Also haben wir uns eine Alternative gesucht und sie auch gefunden. Es gibt schließlich nicht nur die bekannten Schluchten, sondern derer gleich mehrere. Und so erkundeten wir eine „Drei-Schluchten-Tour“, die uns am Ende von Norden her in die Todra-Schlucht führte. Einfach spektakulär, inklusive einer Übernachtung inmitten grandioser Bergkulisse.

 

Und da hatten wir mal wieder eine Begegnung der besonderen Art. Wir hatten einen schönen Übernachtungsplatz unweit der Straße entdeckt und uns gemütlich eingerichtet. Es war gerade dunkel geworden – und zwar STOCKDUNKEL – da knatterte ein Moped heran. Draußen ein älterer Mann, der ganz aufgeregt war. Wir sollten hier auf gar keinen Fall stehen bleiben, das wäre viel zu unsicher und wir sollten mit ihm fahren und bei ihm übernachten. Das kam natürlich für uns nicht in Frage, denn im Dunkeln durch die Berge wohin auch immer – das geht ja mal gar nicht.

 

Der gute Mann konnte sich auch nicht als offizieller Sicherheitsbeauftragter ausweisen, aber er wollte sich unbedingt unsere Namen und die Nummern unserer Ausweise notieren. Dazu gab er uns ein Notizbuch durchs Fenster, in dem bereits mehrere solcher Angaben notiert waren. Mit Telefonnummer und KFZ-Kennzeichen. Also gut, soll er haben. Dann schrieb er uns noch seine Telefonnummer und seinen Namen auf einen Zettel und meinte, wir sollten ihn unbedingt anrufen, wenn irgendetwas Verdächtiges in der Nacht wäre. Ok – machen wir. So knatterte er mit seinem Moped wieder von dannen und hinterließ bei uns dann doch ein wenig ein gemischtes Gefühl. Aber immerhin waren wir nun – wo auch immer – registriert und man weiß mal wieder, dass da oben irgendwo ein Touristenpaar in den Bergen steht. Wir machten im Mumin alles soweit fluchtsicher, unser Hund wurde nochmal ermahnt, gefälligst seiner Aufgabe als Wächter und Hüter nachzukommen, dann schauten wir noch ein wenig in den fantastischen Sternenhimmel ohne jegliches Streulicht und verbrachten eine ruhige, ungestörte Nacht.

 

Unseren abendlichen Besucher trafen wir übrigens am nächsten Tag in der nächsten Ortschaft wieder. Er erkundigte sich nochmals nach unserem Befinden und wünschte uns „Bonne Route“.

 


Indian Summer in Marokko

 

In den letzten Tagen haben uns immer wieder Bilder aus Deutschland mit wunderschönen Herbstimpressionen erreicht. Die Wälder in ihren schönsten Farben, goldene Oktoberstimmung, das besondere Licht der Tage, die nun kürzer werden. Ich mag den Herbst als Jahreszeit und werde fast schon ein wenig wehmütig. Bis wir wieder zuhause sind, liegt entweder Schnee oder es herrscht novembergraues Schmuddelwetter.

 

Dass wir aber ein wenig Indian-Summer-Feeling in Marokko erleben würden, damit hätten wir nicht gerechnet. Aber es kam so, und zwar recht überraschend.

 

Auf unserer Route durch die Berge kamen wir nach kilometerlangem Auf und Ab durch eine nahezu vegetationslose Landschaft in ein Hochtal.

 

Der Anblick der ersten Bäume war eine richtige Wohltat. In dem Hochtal wird Landwirtschaft betrieben, entlang eines Flusslaufes gab es ordentlich bestellte Felder. Die meisten waren bereits abgeerntet. Doch Viehfutter, Äpfel, Kartoffeln und Nüsse galt es noch einzubringen. Am Fluss wuschen die Frauen Wäsche von Hand, auf dem Feld pflügte ein Bauer mit zwei Eseln und einem Holzpflug. Ein wirklich archaisches Leben wie vor 100 Jahren, wenn da nicht der Maroc Telecom Laden, die Smartphones und die Satellitenschüsseln auf den einfachen Häusern wären.  Verrückte Welt.

Ja und dann der wirklich überraschende Anblick von Birken und Pappeln mit buntem Herbstlaub. Zusammen mit dem Grün der Felder, den in allen Farbnuancen schattierten Bergen und dem stahlblauen Himmel ein herrlicher Anblick. Indian-Summer-Feeling pur und die Fahrt durch dieses Hochtal war wirklich ein Hochgenuss. Momente, die sich ins Gedächtnis brennen.

Auf dieser Strecke fanden wir auch wieder einen wunderschönen Übernachtungsplatz in freier Natur an einem Bergsee. Genauer gesagt sind es derer zwei und um die beiden Seen ranken sich einige Legenden. Eine davon erzählt die Geschichte zweier Liebenden. Sie gehörten unterschiedlichen Berberstämmen an, die einander verfeindet waren. Aufgrund dieser Feindschaft fand ihre Liebe kein glückliches Ende und aus den Tränen, welche die beiden vergossen haben, sollen die Bergseen entstanden sein.

 

Eine andere Legende berichtet, dass es in dem See Untiefen geben würde, welche Schwimmer und Boote hinabziehen würden. Deshalb badet auch kein Einheimischer im See. Wahr ist dagegen das Phänomen, dass sich die Farbe des Sees im Frühjahr aufgrund von Algenbildung innerhalb weniger Tage von türkisblau zu flaschengrün verändert. Bei unserem Besuch im Herbst leuchtet er blau.

 


Auf Rumpeltour zum Stausee

 

Es war mal einer dieser Tage….

 

Nachdem wir die grandiose Bergwelt des Hohen Atlas mit einer Tagesetappe von 150 anstrengenden Bergkilometern hinter uns gelassen hatten, begann die Suche nach einem ordentlichen Übernachtungsplatz. Leider waren wir nun in einer ziemlich langweiligen und industriell geprägten Ebene ohne jegliche Campingmöglichkeit angekommen. Auch unsere Park4Night-App wusste keinen Rat. Außer dem Parkplatz eines Supermarktes in einer Großstadt hatte sie keinen Vorschlag für uns. Also der Beschluss, nochmal rund 60 Kilometer zu einem Stausee zu fahren. Dort sollte es sowohl Camping- als auch freie Übernachtungsplätze geben. Diese 60 Kilometer hatten es dann aber in sich. Stauseen liegen bekanntermaßen nicht unbedingt in der flachen Ebene, sondern in den Bergen. Also kaum raus aus dem Hochland ging es wieder hinauf, und zwar kräftig. Von ungefähr 500 Höhenmetern mussten wir wieder auf 1.800 Meter. In engen Serpentinen auf wenigen Kilometern. Das wäre noch nicht mal so schlimm gewesen, wenn die Straße nicht in einem desaströsen Zustand gewesen wäre. Schlagloch an Schlagloch, steil und nahezu ohne Seitenbegrenzung, dazu jede Menge Gegenverkehr. Im Reiseführer stand geschrieben, die Straße wäre zweispurig und durchgehend asphaltiert. Im wahren Leben waren es Asphaltreste und höchstens anderthalb Spuren.

 

Und weil die Straße so schlecht war, musste sie natürlich repariert werden. Bauarbeiten waren im Gange und die sehen in Marokko recht abenteuerlich aus. Auf dem steilen Felsen über uns stand ein Bagger von nicht unerheblicher Größe. Mit einem Meisel löste er Felsbrocken, die auf unsere ohnehin kaputte Straße herunterdonnerten. Unten zwei Bauarbeiter, die den Verkehr „regelten“. Während von oben also eine Gerölllawine mit einer gewaltigen Staubwolke herunterkam, wurden wir mit unserem dicken Mumin von dem einen Arbeiter schon durchgewunken, während der andere Arbeiter den Gegenverkehr stoppte. Die Durchfahrtsbreite für uns war gefühlt einen halben Meter zu wenig. Ein Auge nach oben, ob sich da nicht noch mehr Felsen lösen würden und der Meiselbagger wenigstens wartet, bis wir durch sind. Das andere Auge – nämlich meines auf der Beifahrerseite – nach rechts in den Abgrund gerichtet. Gefühlt passt da keine Handbreit mehr dazwischen. Irgendwie kamen wir ohne Verluste durch, auch Dank meinem beherzten Conducteur. Inshallah sei mit uns.

 

Und so dauerten unsere 60 Kilometer mehr als zwei Stunden und wir erreichten, ziemlich entnervt und k.o. ein Guesthouse mit einigen Stellplätzen für Camper oberhalb des Stausees. Die Plätze waren zwar auch ziemlich eng, aber wir bugsierten den Mumin rückwärts hinein. Wenden wäre auf der kleinen, terrassierten Fläche nicht möglich gewesen, denn auch der Stellplatz lag am Abgrund. Man nennt es landschaftlich reizvoll 😉

 

Ja, und nun hätten wir uns unsere Nachtruhe nach dieser Harakiri-Fahrt wahrlich verdient. Doch nein. Um uns herum lebte wohl ein Rudel wilder Hunde, das pünktlich ab 23 Uhr sein Nachtkonzert anstimmte. Das wechselweise Bellen dauerte bis in die Morgenstunden. Kaum war ein Hund verstummt, fing der nächste an. Das Ganze wurde durch die Lage in dem engen Tal und das Echo der Felswände noch verstärkt. Es war sprichwörtlich zum Heulen.

 

Doch auch dieser Tag fand ein glückliches Ende bzw. einen guten Morgen. Wir wurden für unsere strapaziöse Anreise mit einem grandiosen Panorama rund um den Stausee belohnt, begegneten zwei netten Polizisten und fanden für die kommenden Tage einen schönen „Afrika-Campingplatz“ zum Erholen. Fortsetzung folgt.

 


Noch mehr Berge, ein Wasserfall und ein Zedernwald

wir kommen allmählich in herbstliche Gefilde

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Kommentare: 3
  • #3

    Ute Schubert (Freitag, 08 November 2019 20:08)

    Liebe Frau Staub,
    ich verfolge Ihre Reise schon von Anfang an und es ist mir ein Vergnügen, abends auf meinem Sofa ihre Reiseberichte zu verfolgen. Auch die Bilder be-
    eindrucken mich sehr und ich lerne so ein Land kennen, mit dem ich mich noch nicht sehr beschäftigt habe. Vielen Dank. Bleiben Sie alle drei auch weiterhin behütet und bewahrt.
    Herzliche Grüße
    Ute Schubert

  • #2

    Bettina (Dienstag, 05 November 2019 16:11)

    Ihr Lieben,
    was für schöne Bilder. Sie erinnern mich ein wenig an meine Reise im Himalaya...
    Uns eines muss ich Euch ja echt mal sagen: Ihr 3 seid echt Fotogen!!
    Ganz liebe Grüße an Euch. Ich freu mich schon auf den nächsten Beitrag!

  • #1

    goldfish (Dienstag, 05 November 2019 16:08)

    puh, geschafft und alles gut :-). Freue mich schon auf weitere Abenteuer

    Gruss
    goldfish