Kappadokien geht auch (fast) ballonfrei

Wohl kein Tourismusprospekt, kein Instagram-Posting und kein Reiseführer über Kappadokien, auf dem nicht die zahlreichen bunten Heißluft-Ballone abgebildet wären, die zum Sonnenaufgang über die spektakuläre Felsenlandschaft gleiten. Und so waren auch wir voller Erwartung auf fotogene Bilder. Und auch voller Erwartung, selbst in eine der Gondeln zu steigen, um die Kulisse von oben zu genießen. Eigentlich war geplant, zum 60. Geburtstag eine weitere Ballonfahrt zu absolvieren. Bekanntlich sind aller guten Dinge drei: Zur Silberhochzeit gab es ein Frühstück im Ballon zum Sonnenaufgang über der Schwäbischen Alb. Zu meinem 50. Geburtstag eine Fahrt in den Sonnenuntergang über den Schlössern der Loire. Und nun sollte es Kappadokien sein. Doch wieder einmal kommt es anders als gedacht.

Es beginnt damit, dass wir trotz gutem Wetter weit und breit keine Ballone am morgendlichen Himmel sehen. Alles nur Fake-News??? Da wir schon mal früh wach sind, nutzen wir das gute Wetter für eine Wanderung durch die verwunschenen Täler der Felsenlandschaft. Das Meskirne-Tal zählt dabei noch zu den eher weniger besuchten Ecken dieses Landstrichs. Wir sind schnell beeindruckt von den Felsdurchbrüchen, Tunneln und bunten Herbstfarben. Überall sind Höhlenwohnungen und alte Kirchen in den weichen Tuffstein gegraben. In manchen der Kirchen sind sogar noch Reste von alten Fresken zu entdecken. Was wir anfangs als „Setzkästen“ interpretierten, entpuppt sich bei späterer Recherche als Taubenhäuser, in denen der Vogelkot als Dünger gesammelt wurde. In manche der Höhlenbehausungen kann man mit einiger Kletterei auch einen Blick hineinwerfen. Wir entdecken einen hübschen Teegarten, in dem wir eine Rast einlegen. Am Ende des Tales sehen wir dann die riesigen Plätze, auf denen die Ballone starten und/oder landen. Es scheint sie also doch zu geben. Durch ein weiteres Tal mit skurrilen Felsgebilden, die aussehen wie Riesen-Morcheln, wandern wir wieder zurück zum Campingplatz.

Dort hatten wir uns am Vortag einen Flug zum Preis von 200 € pro Person reserviert. Auf Nachfrage sagte man uns, es wäre eine kleine Gondel mit maximal 16 Passagieren. Das sind zwar immer noch viele, aber ok. Gewisse Zugeständnisse machen wir dann doch an diesen touristischen Hotspot. Am Abend kommt ein Mitarbeiter der Ballon-Agentur vorbei, klärt die Formalitäten und kassiert das Geld. Noch einmal fragen wir nach der Gondelgröße. Nun sind es schon 32 Passagiere! Preis bleibt natürlich derselbe. Als wir sagen, wir hätten die kleinere Gondel gebucht, telefoniert er noch einmal und erklärt uns, dass die großen Gondeln der Standard wären. Kleinere würde es nicht geben. Jetzt kommen wir uns dann doch ein wenig veräppelt vor und fühlen uns ziemlich über den Tisch gezogen. Die Horrorvorstellung wäre, eingepfercht in einer asiatischen Reisegruppe zu stehen und am Ende eine Billig-Plörre als Ballonfahrer-Taufe serviert zu bekommen. Diese touristische Abzocke wollen wir dann doch nicht unterstützen. Mag das Erlebnis noch so eindrucksvoll sein. Geld gibt es postwendend zurück und unser Gemütszustand wechselt zwischen enttäuscht, wütend und alles-richtig-gemacht.

Dass unsere Entscheidung richtig war, zeigt der nächste Morgen. Anscheinend passen jetzt Wetter und die Buchungsraten der Ballons in der Nebensaison. Pünktlich zum Sonnenaufgang genießen wir das Ballonspektakel von unserer aussichtsreichen Campingplatz-Terrasse beim ersten Kaffee vor unserem Mumin. Überall in den Tälern beginnt es zu glimmen und die Ballone leuchten zwischen den Felsen auf wie bunte Laternen. Schon sehr beeindruckend! Fast scheint es, die mehr als Hundert Heißluftballone würden einer bestimmten Choreografie folgen. Während manche nur kurz nach oben steigen, um dann wieder zu Boden zu sinken, schweben andere hoch hinauf ins Sonnenlicht. Es gibt auch Spätstarter, so dass sich das Schauspiel gut eine Stunde hinzieht. Währenddessen dröhnen überall die Gebläse und wir sehen, dass ganze Busladungen mit Touristen in die Gondeln unter den Ballonen gepackt sind. Somit befinden wir - alles richtig gemacht - und erfreuen uns vom Boden aus an dem tatsächlich sehenswerten Spektakel.

Wir wechseln noch einmal den Standort und ziehen über das Städtchen Uchisar weiter ins sogenannten Love-Valley. So benannt nach den etwas unanständig anmutenden Felsen, die hier in der Gegend herumstehen 😉 Dort finden wir einen Premium-Stellplatz auf einer Felsnase in herrlicher Aussichtslage und hoffen einmal mehr, hier einen fotogenen Start der Ballone zu erleben. Wir werden jedoch von einem Spektakel der etwas anderen Art geweckt. Zum Sonnenaufgang dröhnen um uns herum die Motoren. Nein - keine Gebläse von Ballons. Vielmehr kommen zahlreiche heiratswillige Paare, die sich in wallenden Gewändern und bonbonfarbenen Oldtimer-Cabriolets vor der Kulisse des Love-Valleys ablichten lassen. Für den perfekten Heiratsantrag sind Wunderkerzen und Marry-me-Leuchter aufgebaut. Mehr Kitsch geht nicht. Wer einen perfekt inszenierten Heiratsantrag hinlegen möchten - hier ist er richtig. Allerdings gibt es Warteschlangen. Es sind auffallend viele asiatische Paare vertreten, die Mädels bibbern dabei in ihren hauchdünnen Kleidchen in der Morgenkühle vor sich. Von unserem Logenplatz ist das fast wie Frühstücks-Fernsehen 😉

Das Spektakel geht aber noch weiter: Nach den Liebespaaren kommen die Jeep-Safaris, röhrende Quad-Touren und Kamel-Karawanen. Den lieben langen Tag summt und brummt es um uns herum. Doch Ballone bekommen wir hier keine mehr zu sehen. Stattdessen begegnen uns zum ersten Mal wieder deutsche Touristen. Die Truppe stapft munter zwischen unseren beiden LKWs herum, viel Platz ist da nicht und somit bekommt unser Mumin den einen oder anderen Rempler von Selfie-Stick und Gehstock. Auch dass wir vor den Autos in unseren Stühlen sitzen, stört die Herrschaften nicht weiter. Eher scheint man darauf zu warten, dass wir aufstehen und ihnen unseren Sitzplatz anbieten. Auf die Frage, was sie denn hier machen würden, bekommen wir zur Antwort, ihr Reiseleiter hätte sie hierher geschickt um Fotos zu machen. Und wir bekommen obendrein den Rüffel, dass wir den Platz schließlich nicht gepachtet hätten und man sich beim türkischen Tourismus-Ministerium beschweren wolle. Wohlgemerkt: Um uns herum gibt es noch genügend andere Felsvorsprünge in exponierter Lage für das Fotoshooting....

Hier in Kappadokien wird es nun leider auch Zeit, uns von Karin und Klaus zu verabschieden. Mehr als drei Wochen waren wir gemeinsam in Georgien und dem Osten der Türkei unterwegs. Zum Abschluss bekochen uns die Männer mit Schwäbischen Kässpätzle, garniert mit türkischem Gruyer-Käse, georgischem Wein und Ausblick auf das Love-Valley. Das muss uns mal einer nachmachen 😉

Für die beiden geht es nun weiter in Richtung Zypern, wir machen uns auf die Reise nach Westen. So ganz allmählich rufen die Verpflichtungen in der Heimat, es ist bereits November geworden und wir müssen an die Rückreise denken. Danke für die schöne gemeinsame Zeit und vielleicht kreuzen sich unsere Wege wieder einmal, wo und wann auch immer.


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