Der Götakanal – eine der wohl bekanntesten Wasserstraßen Schwedens – stand bereits von Anfang an auf unserer Things-to-see-Liste. Wir hatten einige Dokumentationen sowie YouTube-Videos gesehen und waren entsprechend neugierig. Irgendwie üben diese von Menschenhand geschaffenen Kanäle und Wasserwege eine besondere Faszination auf uns aus.
Der 200 Jahre alte Götakanal verbindet nicht nur die beiden großen Seen Vänern und Vättern, sondern auch Schwedens West- und Ostküste. Von Göteborg am Skagerrak sind es rund 390 Kilometer bis zur Mündung in die östliche Ostsee. Der spektakulärste Abschnitt liegt zwischen dem Vätternsee und Söderköping, wo der Kanal in die Ostsee mündet. Der Götakanal muss einen Höhenunterschied überwinden, was mit zahlreichen Schleusen und Schleusentreppen gelingt. Ein Meisterwerk der Technikgeschichte und von der UNESCO geadelt. Heute ist der Götakanal den Freizeitkapitänen und Ausflugsdampfern vorbehalten. Die Saison beginnt Ende Mai. Schiffe werden wir also nicht zu Gesicht bekommen, aber wir wollen dem geschichtsträchtigen Kanal dennoch einen Besuch abstatten.
Unsere erste Station ist bei weiterhin frühlingshaft sonnigem Wetter der Abschnitt westlich von Motala zwischen den beiden Seen Vänern und Vättern, der touristisch noch weniger bekannt sein soll. Einen Stellplatz direkt am Kanal finden wir in dem kleinen Weiler Tåtorp. Dort mündet der Kanal in den Vikensee. Ein schwedischer Camper ist bereits da, doch es gibt reichlich Platz auch für den Mumin. Den Rest des Tages verbringen wir faulenzend im Liegestuhl in der Sonne und unternehmen gegen Abend einen kleinen Spaziergang zu den Bootsanlegern am See. Sie sind alle noch verwaist, doch im Sommer sieht es dort bestimmt anders aus.
Der angekündigte Wetterumschwung ist da und der Karfreitag begrüßt uns mit einem wolkigen und leicht nebligen Vormittag. Somit lassen wir uns ein wenig Zeit und starten erst gegen Mittag zu unserer geplanten Fahrradtour auf den alten Treidelpfaden entlang des Kanals. Leider wurden einzelne Abschnitte des ansonsten sehr schönen Weges neu geschottert, so dass wir uns mühsam durch tiefe und weiche Sand-/Schotterpassagen pflügen müssen. Das ist so gar nicht mein Ding und macht auch nicht wirklich Spaß. Wir versuchen es trotzdem, passieren den Obelisk, der die höchste Stelle des Götakanales markiert, kommen nach Vassbacken mit einem (vollen) WOMO-Stellplatz und einer Schleuse. Danach wird der Radweg kurzzeitig besser und wir radeln bis nach Jonsboda. Dort erwartet uns wieder eine schlechte Wegstrecke, so dass wir etwas entnervt aufgeben und kehrt machen. Schade, denn landschaftlich wäre es tatsächlich wunderschön.
In Vassbacken finden wir ein geöffnetes Restaurant und legen eine spontane Einkehrpause ein. Im Angebot ist eine köstliche Osterplatte mit verschiedenen Spezialitäten, wie Räucherfisch, Quiche, Käsebrioche, Salat, Kartoffeln und Dips. »A bissle was von Ällem«, wie der Schwabe sagt.
Zurück am Mumin lassen wir den Tag dann doch noch draußen ausklingen. Wir machen nix, außer Vögel zu beobachten und sie mittels App und KI zu identifizieren. Den Fasan kriegen wir gerade noch so raus, denn er stolziert stolz vor uns herum. Sein Ruf klingt wie das Pfeifen einer Dampflok. Schwieriger ist die Wasserralle. Ein kleiner Vogel, der sich anhört wie eine meckernde Ziege. Außer ein paar Anglern, die ihre Boote zu Wasser lassen, sind wir inzwischen allein auf unserem netten Plätzchen.
Das Osterwetter wird leider eher schlechter als besser, so dass wir weiterfahren zu unserem zweiten Standort am Götakanal. Zunächst jedoch geht es über stille und einsame Straßen vorbei an hübschen Sommerhäusern, durch Wälder und weite Felder. In Forsvik legen wir einen ersten Stopp bei einem Industriedenkmal ein. Einst war dies ein Komplex aus Schmieden, Mühlen und Wasserkraftwerken. Der Götakanal brachte Aufschwung und einst war Forsvik ein bedeutender Industriestandort. Heute sind davon noch eine Art Freilichtmuseum, die höchste Schleuse des Kanales sowie die älteste Eisenbrücke Schwedens erhalten.
Wir finden ein geöffnetes Café, wollen uns nur ein wenig aufwärmen und landen unverhofft bei einem opulenten Osterbrunch-Buffet. So lässt sich ein Regentag auch verbringen.
Eine Erkenntnis zu den Restaurants in Schweden, die wir inzwischen gewonnen haben. Die Gaststätten und Cafés funktionieren in einer Art Selbstbedienungsprinzip. Es gibt einen Service- und Kassenbereich, an dem man seine Bestellung aufgibt und gleich (mit Karte) bezahlt. Kalte Gerichte, wie etwa Kuchen oder Sandwiches, werden dort gleich ausgegeben und man nimmt sie auf einem Tablett mit an den Tisch. Warme Gerichte werden entweder serviert oder per Piepser aufgerufen, so dass man sie abholen kann. Kaffee und Tee gibt es an einer extra Theke zur Selbstbedienung und man kann nachschenken, so oft man möchte. Einfaches Leitungswasser steht ebenfalls bereit. Das Prinzip funktioniert, jeder räumt sein Geschirr wieder ab und so werden die auch in Schweden raren Servicekräfte überflüssig. In gehobeneren Etablissements sieht das vielleicht anders auch, aber in den meisten Gaststätten und Cafés ist dies gängige Praxis. Durchaus nachahmenswert, wie wir finden.
Weiter geht es zur größten Festung Nordeuropas nach Karlsborg am Vätternsee. Sie ist tatsächlich riesig und wird in Teilen auch noch militärisch genutzt. Das Museum ist zwar geschlossen, doch wir bummeln bei einsetzendem Nieselregen trotzdem ein wenig durch die Anlage. Dann wird es Zeit für die Stellplatzsuche. Fündig werden wir an der Zufahrt zum Nationalpark Tivedens, wo wir ein ruhiges Plätzchen zwischen zwei Seen finden.
Das Wetter ist leider weiterhin bescheiden, so dass die geplante Wanderung im Nationalpark dem Regen zum Opfer fällt. Wir steuern direkt die zweite Station am Götakanal an. Diesmal am östlichen Teil, der den Vättern See bei Motala mit der Ostsee verbindet. Motala vermag uns nicht zu begeistern. Ein touristisch aufgemotzter Ort, in dem die Anzahl und Größe der (noch leeren) Park- und Liegeplätze für die Freizeitkapitäne darauf schließen lässt, dass hier im Sommer der berühmte Bär steppt.
Wir haben uns für zwei Nächte auf einem sehr komfortablen Stellplatz in Borensberg eingeloggt. Er liegt ebenfalls direkt am Götakanal und war über die Ostertage komplett ausgebucht. Für 300 Skr die Nacht genießen wir den Luxus einer Rundum-Versorgung inklusive Waschmaschine und Trockner. Bei unserer Ankunft ist der Platz noch fast voll belegt. Somit erledigen wir zunächst einen Teil unserer Wäsche, machen ein wenig Hausputz und starten in einer Regenpause einen Spaziergang durch Borensberg. Der Ort gefällt uns auf Anhieb besser als Motala, obwohl es auch hier (in der Saison) touristisch zugeht. Nicht so am Ostersonntag, denn obwohl einige Besucher da sind, hat alles noch geschlossen. Auf dem Stellplatz kommen wir noch ins Gespräch mit einer schwedischen Nachbarin, die uns mit Tipps für Stockholm und unsere Weiterfahrt gen Norden versorgt.
Die geplante Ostermontags-Fahrradtour nach Berg zur Schleusentreppe fällt angesichts frostiger Temperaturen von nur 5 Grad aus. Irgendwie sind wir dafür auch kleidungstechnisch nicht wirklich ausgerüstet. Die Schweden trotzen der Kälte mit Funktions-Outfits. Wir gehören halt doch eher zur Südeuropa-Fraktion 😉Vielleicht sollten wir doch noch einen schwedischen Outdoor-Ausrüster aufsuchen….
Stattdessen erledigen wir den Rest unserer Großwäsche (vier Maschinenladungen inklusive Trockner), so dass wir für die nächste Zeit gerüstet sind. Danach geht’s zu Fuß entlang dem Götakanal. Begeistert sind wir von den reizenden Häusern, teils mit Bootsschuppen und Pavillons direkt am Wasser. Hier möchte man bleiben. Überall beginnt es inzwischen auch zu blühen. Wir verlängern den Frühling und genießen Tulpen, Osterglocken, Forsythien und auch die Birken zeigen ein erstes, zartes Grün. Herrlich!
Bei unserer Rückkehr sind wir mit zwei weiteren WOMOs fast allein auf dem Stellplatz und verbringen den Abend mit den Planungen für unseren Besuch in Stockholm. Lange haben wir gezögert, ob wir uns die Hauptstadt tatsächlich »antun« sollen. Es gibt kaum Stellplatzmöglichkeiten, diese sind dann auch recht teuer und auf das Abenteuer Großstadt haben wir nicht so wirklich Lust. Wir sind schließlich nicht auf Recherchereise, sondern im Urlaub. Aber wo wir doch schon mal in der Nähe sind… Wie es den Landeiern in der Großstadt ergeht, lest ihr dann beim nächsten Mal.