Durch den Süden Dänemarks in Richtung Deutschland

Nach unserer Überfahrt nach Thyborøn folgt das erste Déja-Vu-Erlebnis. Vor 25 Jahren haben wir dort mit unseren Kindern das Jyllands Akvariet besucht und konnten damals unsere Jüngste dazu überreden, ihren Schnuller in einem eigens dafür vorgesehenen Fischbassin zu versenken. 

Das Aquarium muss diesmal auf unseren Besuch verzichten, aber am Sneglehuset schauen wir vorbei. Leider schließt es vor unserer Nase, so dass wir nur einen Blick von außen darauf werfen können. Das Sneglehuset wurde vom ehemaligen Seemann Alfred Kristensen in den 1940er Jahren erbaut und im Laufe von Jahrzehnten mit unzähligen Muscheln, Schneckenhäusern und Korallen verziert. Sowohl die Fassade als auch die Innenräume sind so mit sehr viel Liebe zum Detail gestaltet. Das Museum soll - so unsere Recherche - die größte Muschelsammlung Dänemarks mit Exponaten aus aller Welt enthalten. 

In Thyborøn finden wir leider keinen übernachtungstauglichen Stellplatz, so dass wir noch ein paar Kilometer weiterfahren. Nicht weit von der Hauptstraße habe ich einen Wanderparkplatz entdeckt, der zum einen mit Sitzbänken hübsch gestaltet ist und zum anderen ohne große Umwege ein wenig versteckt eine überaus ruhige Nacht ermöglicht.

Von hier tingeln wir weiter entlang der Westküste Dänemarks gen Süden. Das Wetter ist weiterhin genial, blauer Himmel und je weiter wir nach Süden kommen, desto wärmer wird es auch. Wir knacken nun fast schon die 20-Grad-Marke auf dieser Reise. Doch die Sonne ist noch trügerisch, ein warmes Jäckle gegen den Wind darf nicht fehlen.

Derweil blühen Ginster, Flieder auch die ersten Rhododendren um die Wette. Die wie Unkraut wuchernden Sylter Rosen stehen ebenfalls in den Startlöchern und bedecken die Dünenhänge. Dahinter  versteckt liegen etliche hübsche, reetgedeckte Häuser. Unser erster Halt ist - wie könnte es anders sein - wieder einmal ein Leuchtturm. Diesmal ist es der rote Bovbjerg Fyr, den wir ebenfalls schon kennen. Doch einen Blick von oben auf die leuchtend gelben Rapsfelder lohnt sich auch ein zweites Mal.

Die nächste Station ist das Städtchen Ringkøbing am gleichnamigen Fjord. Bei der Anfahrt passieren wir Søndervig. Dort sind wir schockiert über den touristischen Andrang. Es wird gebaut wie wild, es gibt neue Ferienresorts, ein riesiges Spaß-Erlebnis-Bad und ein Sandskulpturenfestival. Bei letzterem ist uns nicht so ganz klar, ob es bereits geöffnet ist. Aber der Rummel lässt uns ohnehin schnell das Weite suchen.

Und dann haben wir mal wieder einen Schutzengel mit uns. Bereits einige Zeit nervt uns ein Radfahrer, der ohne Rücksicht auf Verluste mal auf dem Radweg, mal auf der Straße hin und her wechselt. Auf andere Verkehrsteilnehmer achtet er nicht, weshalb wir gebührend Abstand zu ihm halten. Würde er uns vor die Räder fallen, der Mumin würde es wahrscheinlich mit einem leisen »Hoppala« quittieren.

An einer Ampelkreuzug, bei der wir links abbiegen und den Gegenverkehr passieren lassen müssen, quetscht sich der Wahnsinnsknabe plötzlich von hinten rechts zwischen dem Mumin und einem Pkw an uns vorbei. Vollkommen im toten Winkel von Frank und ich entdecke ihn gerade noch rechtzeitig von meiner Beifahrerposition. Gegen solche Unvernunft und Leichtsinn helfen leider auch keine noch so großen Tote-Winkel-Aufkleber auf dem Laster. Wieder mal Glück gehabt und der Radler-Rowdy erntet noch ein kräftiges Tuten unseres Signalhorns.

In Ringkøbing finden wir einen tagsüber kostenfreien Park-/Stellplatz an der Marina. Auch dieses Städtchen hatten wir mit den Kindern im Jahr 2000 besucht, aber irgendwie habe ich den Ort anders in Erinnerung. Nur der Rathausplatz mit der leckeren Eisdiele war mir noch im Gedächtnis und somit wird es auch für uns Zeit für ein dänisches Eis. Lakritz und Salzcaramell - eine erstaunlich leckere Kombination. 

In Erinnerung ist mir auch eine Bonbonfabrik. Die finden wir zwar nicht, doch dafür einen modernen Shop, in dem man die bunten Drops und noch mehr kaufen kann. Immer noch nett, aber das altehrwürdige Flair in der alten Bonbonkocherei ist vorbei. Ach ja - einen Wolleladen finde ich auch und muss natürlich einen Blick hineinwerfen.

Zurück am Mumin beschließen wir spontan, die Nacht hier zu verbringen, ein wenig zu faulenzen und die Sonne im Liegestuhl am Wasser zu genießen. Der Platz füllt sich gegen Abend noch recht ordentlich und wir erfahren so nebenbei von einem Herrn aus Schweinfurt, dass derzeit wohl die Eishockey-WM stattfindet. Einer der Austragungsorte ist die nur gut 40 Kilometer entfernte Stadt Herning und dort spielt morgen wohl die deutsche Mannschaft gegen wen auch immer. Sport-Dummies wie wir haben davon natürlich keine Ahnung, aber offenbar gibt es einige Fans, die im Camper angereist sind.


Vom Ringkøbing-Fjord geht es ein Stück weiter nach Henne Strand, den Ort unserer Familienferien. Henne Strand präsentiert sich ebenfalls touristisch mächtig herausgeputzt und besteht im Grunde nur aus Ferienhaus-Siedlungen und einem riesigen 5-Sterne-Campingplatz. Der Weg zum ebenfalls sehr großen Strandparkplatz, von dem aus wir unsere Erkundungstour starten möchten, führt mitten durch die Touristenmeile. Wir sind zur besten Zeit an einem Sonntag Nachmittag bei schönstem Wetter da. Da wir mit dem Mumin nur schwerlich unbemerkt durch das Örtchen schleichen können, sorgen wir bei An- und Abfahrt für das Tagesgespräch. 

Beim Rundgang durch Henne Strand finden wir die Eisdiele und auch die köstliche kleine Bäckerei. Dort erstehen wir natürlich einen Kanelstreng, einen leckeren Zimtzopf. Die Variante mit Vanillepudding ist leider bereits ausverkauft. Die Gäste in Henne Strand sprechen überwiegend deutsch und stammen aus HH, PLÖ, PI und sehr häufig sehen wir auch Schweizer Kennzeichen.

Etwas Pech haben wir mit der Suche nach unseren Ferienhäusern. Da habe ich ein reetgedecktes rotes Gebäude am Ortsrand unmittelbar vor den Dünen in Erinnerung. Es wurde jedoch sehr viel neu gebaut, umgebaut und verändert, so dass wir das rote Häusle nicht finden.

Von Henne Strand fahren wir weiter in die Stadt Esbjerg. Sie ist eine der wichtigsten Hafenstädte an der dänischen Nordsee und bekannt für ihre Offshore-Industrie, die Öl- und Gasförderung sowie der Windkraftanlagen. Früher war Esbjerg ein Zentrum der Fischereiindustrie und davon zeugen bis heute noch einige Fisch- und Konservenfabriken sowie das Fischerei- und Schifffahrtsmuseum. Letzteres liegt etwas außerhalb des Stadtzentrums und wir finden ganz in der Nähe auch einen kostenlosen Übernachtungsblatz. Er liegt in einer neu gestalteten Marina mit Wassersportanlagen, einem Yachthafen sowie diversen weiteren Sportzentren. Und in Sichtweite des Wahrzeichens von Esbjerg, den weißen Riesenstatuen am Strand.

Die imposante Skulptur »Der Mensch am Meer« (Mennesket ved Havet) wurde vom dänischen Bildhauer Svend Wiig Hansen (1922–1997) geschaffen und im Jahr 1995 anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Stadt Esbjerg aufgestellt. Unsere Töchter können sich noch gut an diese Skulptur erinnern und damals wie heute sind sie ein beliebtes Fotomotiv. In Zeiten der sozialen Medien und Influencern wahrscheinlich noch deutlich mehr frequentiert, aber immer noch eindrucksvoll. Wir haben Glück und können einen kurzen, menschenleeren Moment für unser Foto abpassen. Photoshop muss also nicht zum Einsatz kommen...


Resi, I hol di mit meim Traktor ab

Ribe, Tondern, Rømø, Mandø - Stadt oder Insel? Angesichts der mittlerweile gezählten Reisetage müssen wir unseren Bummelmodus beschleunigen und eine Auswahl treffen. Ribe kennen wir bereits von einem früheren Besuch, auf der Insel Rømø darf man zwar mit dem WOMO auf den Strand fahren, aber nicht mehr übernachten. Mandø klingt spannend, denn auf die Insel im dänischen Wattenmeer gelangt man nur bei Ebbe. Zwar dürfen auch Privatfahrzeuge über eine Schotterpiste hinüberfahren, aber wenn der Mumin dort ankommt, bekäme das neun Quadratkilometer kleine Eiland wahrscheinlich Schlagseite....

Somit buchen wir spontan eine Ausflugsfahrt mit dem Mandø-Bussen. Einem Traktor-Shuttle mit Aussichtswaggons. Abfahrt ist um 11 Uhr und der Spaß kostet uns beide zusammen 150 DK oder etwa 20 €. Da finden wir 140 DK pro Person für den Eintritt in das Informationszentrum des Nationalparks doch etwas überteuert. Normalerweise können solche Zentren immer kostenlos besucht werden. Doch wir können dort kostenlos auf dem Parkplatz über Nacht stehen. Ein Pluspunkt, denn wir befinden uns inzwischen im Bereich des Nationalparks Wattenmeer.

Die Fahrt über die sieben Kilometer lange Schotterpiste ist dann mit unserem Gefährt schon mal ein Erlebnis für sich. Wir rumpeln und schaukeln bei bestem Ausflugswetter dahin und genießen die Ausblicke auf das Wattenmeer und den Fahrtwind. Drei Stunden haben wir Zeit, um die Insel zu erkunden. Kaum entfernt man sich vom Parkplatz in dem kleinen Dorf mit Kirche, Reethäusern, Cafés und Restaurants, herrschen Ruhe und Weitblick. Hier gerät man schnell in den Tiefenentspannungs-Modus.

Die Atmosphäre ist friedlich, hier möchte man bleiben und die Welt um sich herum vergessen. Wir spazieren ein Stück entlang des Deiches, kehren über die Felder und Wiesen zurück ins Dorf, machen eine Kaffeepause und schon ist es wieder Zeit für die Rückfahrt.

Im Gegensatz zur Deutschen Bahn ist unser Traktor pünktlich, denn die Flut naht. Somit erklärt uns der Fahrer in einem schwer verständlichen Denglisch, dass wir eventuell nasse Füße bekommen würden und aus Sicherheitsgründen nicht während der gesamten Rückfahrt oben auf den Aussichtsplätzen sitzen dürften. Es wird also spannend...

Tatsächlich müssen wir auf halber Strecke umsteigen und der Traktor schlägt jetzt auch eine andere Route ein. Anstatt auf der Schotterpiste fährt er nun auf einer mit dünnen Birkenstämmen markierten Strecke durch das Wattenmeer. Es schaukelt tatsächlich recht heftig und mehrmals werden Wasserfurten durchquert. So viel Abenteuer muss für die Touristen sein und wir erreichen schließlich wohlbehalten wieder festen Boden.

Die Nacht verbringen wir dann völlig allein beim Nationalparkzentrum und sind umgeben von Ruhe - doch Nein - der Fasan ruft, auch der Kuckuck begleitet uns und irgendwo hinter einer Hecke blöcken einige Schafe. Wunderbar!


Noch eine Insel und Farvel Danmark

Auf Google Maps habe ich bei der Gemeinde Skærbæk den Hinweis zu einem futuristischen Aussichtspunkt entdeckt. Der 25 Meter hohe Aussichtsturm liegt mitten in der flachen Marschlandschaft und ist ein echter Hingucker. Er wurde 2021 eröffnet und windet sich spiralförmig in die Höhe. Architektonisch wurde er der Form einer Doppelhelix nachempfunden. Eine doppelte Wendeltreppe - eine für den Aufstieg und eine für den Abstieg - führt uns hinauf zur Aussichtsplattform. Tatsächlich reicht der Blick hier oben weit und wir beschließen spontan, der Insel Rømø doch noch einen Besuch abzustatten. Sehen können wir sie schon und wo wir schon mal da sind...

Der Eintritt auf die wohl neueste Touristenattraktion der Region ist mit knapp 13 Euro pro Person zwar kein Schnäppchen, aber der Aufstieg lohnt sich. Rund um den Turm gibt es mit dem Marsk-Camp zudem einen Wohnmobilstellplatz, Restaurant, Souvenirshop und Event-Gastronomie.

Nach dem Aussichtsturm geht es hinüber zur Insel Rømø. Der etwa neun Kilometer lange Damm führt uns über das Wattenmeer und wir sehen bereits, dass über der Insel eine Wolkenbank liegt. Empfangen werden wir von Shoppingcentern, einem riesigen Campingplatz und dem Autostrand Lakolk. 

 

Zugegeben - der Strand ist riesig. Aber es ist auch sehr touristisch und befahrbar ist der feste Sandboden von Fahrzeugen aller Art. Wir cruisen mit dem Mumin ein Stück hinaus, schauen uns das Ganze mal an und beschließen dann den Rückzug.  So richtig vermag der Funke nicht überzuspringen, zumal der Himmel bedeckt ist. Abgehakt unter dem Motto: Hiergewesen und Gesehen.

Nach dem Inselabstecher geht es jetzt auf einer Nebenstrecke durch eine wunderschöne Landschaft über Ballum und Hoyer in Richtung deutscher Grenze. Wir passieren hübsche Dörfer mit reetgedeckten Häusern, mehrere Entwässerungsschleusen, Rapsfelder und sehen in der Ferne schon die Nordspitze der Insel Sylt. Bei Rodenäs überqueren wir wieder mal auf grünen Pfaden die Grenze und treten nun die Rückreise durch Deutschland an. Über unsere letzten Etappen und einem Reisefazit berichten wir im nächsten Beitrag.



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