Nach unserer Ankunft in Frederikshavn finden wir wenige Kilometer außerhalb der Stadt einen ruhigen und jetzt in der Nebensaison auch kostenlosen Stellplatz am sogenannten Palmenstrand. Palmen in Dänemark? Das fragten wir uns auch und machen uns am nächsten Morgen auf die Suche nach den tropischen Pflanzen.
Dänemark beschert uns schon mal Kaiserwetter. Palmen gibt es hier zwar nur von Juni bis September - jetzt stehen sie wohl noch im Winterlager - aber der weiße Muschelstrand, türkisblaues Wasser und eine Cocktailbar lassen tatsächlich ein gewisses Karibikflair aufkommen.
In der Marina, die umrahmt wird von hübschen roten Schwedenhäuschen, wird eifrig gewerkelt. Überall arbeiten die Besitzer an ihren Booten, es wird gepinselt und geputzt und auch die ersten Boote werden zu Wasser gelassen. Am Badesteg hüpft eine Dänin ins Wasser. Trotz Sonnenschein erscheint uns das aber noch ein gewagtes Vergnügen. Wir sind halt bekennende Warmduscher. Über allem herrscht eine friedliche und entspannte Frühlingsstimmung, von der wir uns gerne anstecken lassen.
Zurück am Mumin kommen wir noch ins Gespräch mit unserem Stellplatznachbarn. Er parkt mit seinem betagten WOMO hinter uns und erfüllt auf den ersten Blick alle Klischees eines alternden Späthippies. Wallende graue Haarmähne, ein ebenso grauer langer Bart, verlottertes Outfit und zur Tasse Kaffee eine selbstgedrehte Zigarette.
Im Gespräch mit ihm erfahren wir, dass er aus Norwegen stammt und von Berufs wegen Kapitän eines luxuriösen Kreuzfahrtschiffes ist. Momentan verbringt er seinen Heimaturlaub und tingelt mit seinem WOMO durch die Lande. In zwei Wochen geht's nach Hawaii und dort übernimmt er wieder das Regiment auf dem Luxusliner, um weiter durch den Pazifik zu schippern. Dann frisch rasiert und in schmucker Kapitäns-Uniform. Wie heißt es doch so schön: der Schein trügt... Und wir haben wieder einmal ein spannendes Lebensmodell kennengelernt.
Von Fredrikshavn fahren wir knapp 40 Kilometer weiter an die Nordspitze Dänemarks nach Skagen. Direkt am Ende der Straße gibt es reichlich Parkplätze und die sind derzeit auch noch kostenlos. Was wir aber dort erleben, ist mal wieder ein kleiner Kulturschock. Selbst jetzt in der Vorsaison pilgern dort ganze Heerscharen von Besuchern in Richtung der Nordspitze. Chinesische Touristen auf Europatour, ein riesiges Kreuzfahrtschiff liegt in Skagen vor Anker und dazu noch etliche Tagestouristen, zu denen wir ja letztlich ebenfalls gehören.
Zur eigentlichen Landspitze, wo sich Nord- und Ostsee oder Skagerak und Kattegat treffen, führt eine Völkerwanderung entlang dem Strand. Und wer nicht laufen kann oder mag, für den gibt es ein Traktor-Shuttle, das die Besucher bis ganz nach vorn karrt.
Etwas abgeschreckt von diesem Massenandrang gehen wir zurück zum Mumin und machen erst einmal Mittagspause. Dann nutzen wir die »Stoßzeiten-Pause« für einen Spaziergang etwas abseits der Hauptroute hinaus zum Nordkap Dänemarks. Tatsächlich ist dort etwas ruhiger und das Naturschauspiel am Zusammentreffen der Wellen ist dann auch recht beeindruckend. Baden ist an dieser Stelle strikt verboten. Zu stark und gefährlich sind die Strömungen. Die Nordsee ist heute spiegelglatt, während sich die Ostsee von ihrer kabbeligen Seite mit Gischtkrönchen zeigt.
Dem wieder einsetzenden Besucherstrom entgegen spazieren wir am Strand zurück in Richtung Parkplatz. Es geht vorbei an etlichen Bunkeranlagen, die man hier als Westwall während des Zweiten
Weltkrieges errichtet hat. Heute rotten die Betonkolosse vor sich hin und wer mag, kann sich auch das Bunkermuseum anschauen.
Wir ziehen den Leuchtturm vor und beschließen, die Nacht auf dem Parkplatz zu verbringen, wo sich im Lauf des Abends noch einige weitere WOMOs zu uns gesellen. Man merkt deutlich, dass die
Campersaison bereits begonnen hat und wir mögen uns gar nicht vorstellen, was hier erst in der Hochsaison los ist.
Unser Mumin benötigt wieder mal ein wenig Zuwendung. Hausputz ist fällig und auch unsere Wäschesäcke sind prall gefüllt. Auch auf Reisen bleibt man vor diesen (ungeliebten) Tätigkeiten nicht verschont. Nach einem Stellplatz-Check mit dem Fahrrad ziehen wir um auf einen nagelneuen und fast leeren Wohnmobil-Stellplatz, der zum Campingplatz Poul Eeg in Skagen gehört. Der Check-In am Automaten läuft problemlos. Man sucht sich einen Platz aus, für die Nutzung von Strom und Sanitärgebäude wird ein Pauschalbetrag gebucht, der bei Nichtverbrauch beim Check-Out wieder gutgeschrieben wird.
Den Nachmittag verbringen wir also damit, Wäsche zu waschen, zu trocknen, den Hausputz zu erledigen und zwischendurch eine Tasse Kaffee im Liegestuhl zu genießen. Nebenbei sei erwähnt, dass heute Sonntag und Muttertag ist... Aber ich will nicht jammern, den Muttertagssekt gibt es, genauso wie den Videocall mit unseren Mädels.
Von unserem Stellplatz starten wir am nächsten Tag bei weiterhin Kaiserwetter eine Fahrradtour rund um Skagen. Die Radwege hier sind perfekt ausgebaut und beschildert. Unser erstes Ziel ist Gammel Skagen. Heißt wirklich so und alles, was ein wenig älter ist, heißt auf Dänisch »gammel«. Gammel Skagen ist also das Alt-Skagen und dort gibt es wunderschöne Häuser, die strahlend gelb in der Sonne vor dem blauen Himmel leuchten. Man hat hier auch einen Sonnenuntergangspunkt eingerichtet, der als abendlicher Treffpunkt für Einheimische und Touristen gilt. Wir lesen dort, dass es für die Sonne, sobald sie am Horizont verschwunden ist, Applaus gibt.
Für den Sonnenuntergang ist es noch zu früh und somit radeln wir weiter zu einer in den Dünen versunkenen Kirche. Auf dem Parkplatz der Sankt Laurentii Kirke stehen bereits zwei Reisebusse, denn in Skagen vor Anker liegt wieder ein Kreuzfahrt-Koloss. Während die einen Kreuzfahrer in Bussen für ein Foto-Quickie herangekarrt werden, haben sich andere Fahrräder gemietet und kommen im Sport-Outfit in Gruppen angeradelt. Auch sie haben es eilig und wir müssen nur ein paar Minuten auf dem Bänkle in der Sonne sitzen, dann ist der Spuk vorüber.
Die Laurentiuskirche - oder auch Den Tilsandede Kirke genannt - wurde im 17./18. Jahrhundert durch die Sandverwehungen einer Wanderdüne nach und nach verschüttet. Aufgrund der landwirtschaftlichen Nutzung und der Abholzung von Wäldern war der Boden wenig geschützt und die Region rund um Skagen ist bekannt für ihre dünenreiche Landschaft.
Die Bewohner versuchten zwar gegen die Versandung anzukämpfen, doch es war sprichwörtlich ein Kampf gegen Windmühlen. Regelmäßig musste der Zugang zur Kirche freigeschaufelt werden, doch irgendwann wurde der Aufwand zu groß. 1795 gab man die Kirche schließlich auf. Das Gebäude wurde abgerissen und nur der Kirchturm blieb stehen, da er als Seezeichen für die Schiffe diente.
Heute genießt man von oben einen wunderbaren Ausblick auf die Küstenlandschaft und das Kreuzfahrtschiff, das wie ein Fremdkörper die Hafenkulisse bestimmt.
Wir radeln weiter nach Skagen, gucken noch ein wenig Schiffe im Hafen und steuern schließlich die für ihre Fischspezialitäten bekannten Restaurants an. In einem davon gibt es ein Fischbuffet mit allem was das Herz begehrt. Da lassen wir uns nicht zweimal bitten und genießen Krabben, Backfisch, Heringssalat und Co. auf der sonnigen Terrasse.
Dann geht es noch ein wenig durch das nette Städtle, in dem die Kreuzfahrer inzwischen auf dem Rückzug sind. Ein lautes Tuten kündigt die Abfahrt des Riesenpottes an und wir können das Auslaufen der »Clebrity Eclipse« vom Strand aus beobachten. Schon ein besonderes Spektakel.
Den Rest des Nachmittags verbringen wir faulenzend im Liegestuhl und gegen Abend füllt sich der Stellplatz ein wenig, auf dem wir mit einem weiteren Camper am anderen Ende des Platzes ganz alleine waren. Obwohl es reichlich Platz und Auswahl gibt, scheint der Mumin eine magnetische Anziehungskraft auszuüben. Ich werde wohl nie verstehen, warum manche Zeitgenossen das Kuschelcamper-Gen in sich tragen. Ok - der Mumin gibt Schatten und auch Schutz vor Wind. Dass aber ein Viano nach zig Einparkmanövern immer noch nicht die ihm zustehende Schotterfläche trifft und halb auf unserem Platz steht, toppt das Ganze dann aber doch.
Von Skagen ist es nicht weit zur großen Wanderdüne Råbjerg Mile. Mit etwa 40 Metern Höhe und einer Fläche von etwa einem Quadratkilometer ist sie die größte Wanderdüne Dänemarks und eine der größten in Europa. Jedes Jahr bewegt sie sich um 10 bis 15 Meter in nordöstliche Richtung und wird auf ihrem Weg irgendwann in der Ostsee verschwinden.
Ein wenig Zeit bis dahin haben wir aber noch und erkunden den großen Sandhaufen bei einer kleinen Wanderung. Von oben bieten sich dann grandiose Ausblicke auf die Landschaft. Da kommt tatsächlich Sahara-Feeling auf.
Allmählich müssen wir nun unseren Bummelmodus ein wenig beschleunigen und ein bisschen Strecke machen. Für den Weg südwärts wollen wir der Westküste Dänemarks folgen und dort auch in alten Erinnerungen schwelgen. Es war in den Jahren 2000 und 2001, als wir unsere Familienferien in Henne Strand in einem Ferienhaus verbrachten. Es geht also auch auf Spurensuche und wir sind gespannt, welche der Orte wir wohl wiedererkennen werden.
Von Skagen geht es zunächst nach Hirtshalts. Hier steht der Raps in voller Blüte und bietet einen wundervollen Kontrast zum blauen Himmel und der Nordsee. Den besten Blick genießt man von oben und somit gilt unser Besuch in Hirtshalts dem Leuchtturm. Vom Hafen starten die Fähren nach Norwegen und Island. Vielleicht sollten wir doch nochmal die Richtung ändern???
Auch unser nächster Halt gilt einem Leuchtturm und wieder einmal kommt am Rubjerg Knude Fyr Sahara-Feeling auf. Der Leuchtturm wurde ebenfalls vom Sand verweht und musste deshalb sogar umziehen.
Das 23 Meter hohe Leuchtfeuer wurde im Jahr 1900 in Betrieb genommen. Ursprünglich stand er etwa 200 Meter von der Küste entfernt hinter einer Düne. Die wurde ihm jedoch zum Verhängnis, denn schon wenige Jahre nach seiner Einweihung bildete sich aus der ursprünglich kleinen Düne eine große Wanderdüne. In den 1950er Jahren war die Düne so hoch angewachsen, dass das Leuchtfeuer vom Meer aus nicht mehr zu sehen war.
Gleichzeitig sorgten Wind und Wellen dafür, dass der Leuchtturm nur noch wenige Meter von der Abbruchkante der Steilküste entfernt stand. Um den drohenden Absturz des Leuchtturms zu verhindern, startete man im Jahr 2019 eine spektakuläre Rettungsaktion. Auf Schienen wurde der Turm etwa 70 Meter landeinwärts verschoben. Auf Youtube kann man die Reise des Leuchtturms nachschauen.
Wir finden in der sogenannten »Jammerbucht« in Slettestrand einen wunderbar ruhigen Übernachtungsplatz hinter den Dünen. Beim Abendspaziergang bietet sich uns am Strand ein etwas bizarres Bild, denn hier werden die Fischkutter in Ermangelung eines Hafens mit Traktoren und Seilwinden an den Strand auf's Trockene gezogen. Leider scheint das aber schon längere Zeit nicht mehr der Fall gewesen zu sein und einige der Boote machen den Eindruck, als hätten sie schon bessere Tage gesehen.
Auf dem Rückweg werden wir auf laut knatternde Motoren aufmerksam. Da kommt doch tatsächlich eine Mofa-Gang angebraust. Allesamt mit Mopeds der Marke Puch, die wir noch aus Jugendjahren kennen. In der Luft liegt der typische Geruch nach Abenteuer und Freiheit. Während wir noch mit glänzenden Augen vor den Zweirädern stehen, erklärt uns einer der Fahrer, dass ein nahe gelegenes Hotel Arrangements mit den Puch-Mofas anbietet. Nostalgie pur!
Am Abend lesen wir noch, dass es in der Region wohl noch mehr Fischkutter auf Landgang gibt. Somit steuern wir auch noch das Örtchen Thorup Strand an. Die Kutter dort sind beträchtlich größer und das Ganze macht noch einen etwas aktiveren Eindruck.
Eine nette Begegnung haben wir dann noch auf unserem Stellplatz. Dort fährt ein WOMO mit Heimat-Kennzeichen von dannen. Die WOMO-Besatzung erkennt uns sofort, stoppt und erzählt uns, dass sie vor wenigen Wochen auf unserem Albanien-Vortrag mit dabei gewesen sind. Im Herbst wollen sie mit unserem WOMO-Reiseführer nach Albanien reisen. Die Welt ist doch manchmal ein Dorf und wir freuen uns wieder einmal über diese spontane, unerwartete und nette Begegnung.
Unser nächster Halt ist von der etwas anderen Art. Eher zufällig habe ich auf Google Maps den Hinweis auf eine Test-/Versuchsanlage für Windkraftanlagen entdeckt. Es gibt ein Besucherzentrum und das Ganze scheint frei zugänglich zu sein. Das macht uns neugierig.
Dänemark ist laut den Informationen vorort Vorreiter in Sachen Windkraft und hier - irgendwo im Nirgendwo - werden riesige Offshore-Anlagen getestet. Die Rotorblätter sind bis zu 100 Meter lang. Die schiere Größe der Teile ist beeindruckend. Und sie machen auch mächtig Krach, wenn man so nah und unmittelbar unter den Windrädern steht. Rund um das Testgelände hat die Betreiberfirma ein Naturschutzgebiet ausgewiesen. Mit Radwegen und Informationen zu Flora und Fauna, denn auch die Auswirkungen auf die Natur werden hier erforscht. Sehr informativ und ein Besuch, der sich lohnt!
Im WOMO-Reiseführer Dänemark entdeckten wir den Hinweis zu einer Kult-Fischräucherei in Hanstholm. Tatsächlich finden wir die Lokalität im Hafen, davor einen riesigen Parkplatz für den Mumin und Mittagessenszeit ist es auch. Das Essen ist köstlich und die Portionen sind riesig. Die Platte mit Krabben, Räucherlachs, Backfisch, Salat und Kaviar reicht locker für zwei. Vielen Dank liebe Anke für diesen Tipp!
Hanstholm selbst gibt außer weiteren Bunkeranlagen und einem der ältesten Leuchttürme nicht allzu viel her. Den Leuchtturm schauen wir uns gerne an, dann geht es weiter durch den Nationalpark Thy. Es handelt sich dabei um eine ausgedehnte Heide- und Dünenlandschaft, die fast schon den Charakter einer Mondlandschaft hat. Südlich der Surfer-Hochburg Vorupør wird die Gegend wieder grüner und lieblicher. In der Ferne leuchten die gelben Rapsfelder vor dem blauen Himmel, dann geht es über eine Landzunge zur Fähre über den Thyborøn-Kanal. Die Route ist fantastisch. Rechts liegt ein Feuchtgebiet mit etlichen Schwänen und anderen Vögeln, links der Krik Vig mit türkisblauem Wasser und weißen Sandinseln. Karibikfeeling pur.
Vor uns liegt die schnurgerade Straße 181, die in der Sonne zu einem flimmernden Streifen verschwimmt. Toll! Die Straße endet schließlich am Fähranleger. Die Überfahrt nach Thyborøn dauert knapp 20 Minuten und kostet für uns 270 Dänische Kronen (36 €). Wie es auf der anderen Seite weitergeht, davon berichten wir euch im nächsten Kapitel.