Unser holpriger Start in Marokko

Der Wecker klingelt und wir begnügen uns mit einem spartanischen Frühstück, um noch in der Dunkelheit zum Hafen Algeciras aufzubrechen. Tatsächlich klappt alles hervorragend und wir stehen in erster Reihe in der Pole-Position. Es ist Samstag, der letzte im August, und wir scheinen zusammen mit einer Gruppe spanischer Enduro-Fahrer und einem Overlander aus Portugal die einzigen zu sein, die hinüber nach Afrika möchten. Dafür ist der Run zurück aus Marokko ist umso größer. Für viele enden an diesem Wochenende die langen Sommerferien. Somit kommt eine Fähre nach der anderen im Hafen an und bei den Rückkehrern bilden sich Stau und Chaos. Wir warten und warten und warten. Welche der leeren Fähren nimmt uns wohl auf? Acht Uhr ist längst vorbei und wir warten immer noch. Letztendlich kommen wir mit fast zweistündiger Verspätung los und erreichen gegen Mittag nach einer entspannten Überfahrt den Hafen in Tanger Med.

Die Einreiseprozedur verläuft geordnet und zügig. Alle notwendigen Papiere können wir zusammen mit den Einreisestempeln und dem Zolldokument für unser Fahrzeug bereits an Bord der Fähre erledigen. Nach dem Ausschiffen geht es zunächst durch den Scanner, dann kommt ein Zöllner an den Mumin und schaut sich alles an. Sehr freundlich und sehr höflich. Er fragt gleich mehrfach nach einer Drohne, was wir wahrheitsgemäß verneinen können. Für unser kleines Weinlager interessiert sich niemand.  Somit holen wir uns noch die ersten Dirham am Automaten und es kann losgehen.

Ab jetzt fahren wir weitgehend nach unserem WOMO-Reiseführer und checken die verschiedenen Plätze und Routen. Vieles finden wir noch wie beschrieben, manches hat sich verschlechtert, einiges aber auch verbessert. Den ersten Stopp legen wir auch diesmal am Cap Malabata ein. Hier wurde und wird immens gebaut. Es gibt ein feudales Spielcasino für betuchte Gäste und einen Vergnügungspark für das »normale« Volk.  Aber das kleine Café am Leuchtturm, das ist noch da. Wenn auch an leicht veränderter Stelle, aber immer noch mit prächtiger Aussicht. Hier starten wir bei einem Glas Minztee in den Recherchemodus.

 

Tanger durchqueren wir diesmal en passant. Die Stadt präsentiert sich schick herausgeputzt von seiner Schokoladenseite. Mit pikfeiner Strandpromenade, edlen Restaurants und Shopping-Malls, gepflegten Grünanlagen und Parks. Alles ist sauber und trotz des samstäglichen Besucheraufkommens wohltuend entspannt.

 

Das Cap Spartel, der Aussichtspunkt, an dem sich Mittelmeer und Atlantik treffen, wurde mächtig aufgerüstet. Der Leuchtturm kann inzwischen besichtigt werden und drumherum wurde ein schöner botanischer Garten mit Spazierwegen angelegt.

So checken wir die diversen Spots und Campingplätze, treffen ein Paar aus Reutlingen, das mit unserem Reiseführer unterwegs ist und erreichen schließlich Asilah, wo wir zunächst für zwei Nächte auf einem sehr einfachen Campingplatz einchecken. Wir brauchen noch eine SIM-Karte und wollen uns ein wenig Zeit für das Künstlerstädtchen nehmen.

Doch schon am Abend merke ich, dass es mir nicht so ist, wie es mir eigentlich sein sollte. Ist es die Hitze? Wir sind bei deutlich über 30 Grad, obwohl es mir am Atlantik gar nicht so heiß vorkommt. Ist es der Pack- und Aufbruchstress der zurückliegenden Wochen? Marokkanisches Essen kann es nicht sein, denn außer dem Minztee habe ich noch gar nichts zu mir genommen. Jedenfalls überfällt mich von jetzt auf gleich ein übles Grummeln im Bauch, das mich für die nächsten Tage an den Mumin fesselt. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich schon einmal derart und quasi überfallartig ausgeknockt wurde. Zwar haben wir entsprechende Durchfallmedikamente in unserer Reiseapotheke dabei, aber ich mache mir irgendwann doch Sorgen. Zum Glück ist unser Arzt zuhause erreichbar, der mich zumindest mental per Ferndiagnose und Tipps unterstützen kann. 

Es hilft also nur abwarten, viel Tee trinken und mit Haferbrei und Banane halbwegs auf den Beinen halten. Frank muss Asilah allein erkunden, er macht schöne neue Fotos und pflegt mich, so gut er kann. Derweil machen wir Bekanntschaft mit unserem Schweizer Nachbarn Urs, der hier mehr oder weniger Dauergast ist und sich gut in Marokko auskennt. Er versorgt uns mit hilfreichen Infos und nach vier Tagen fühle ich mich halbwegs wiederhergestellt, so dass wir in moderatem Tempo weiterfahren können.

Was uns dabei auffällt, sind mehrere Dinge. Zum einen ist es gefühlt ein wenig sauberer geworden. Nicht überall, aber zumindest die touristisch vorzeigbaren Orte wurden aufgehübscht. Bestes Beispiel ist ein Strandparkplatz bei Larache, über den wir vor sechs Jahren ziemlich entsetzt waren. Damals übersät mit Plastikmüll, soweit das Auge reichte. Heute gibt es dort überall Mülltonnen und es wird gekehrt, gesammelt und aufgeräumt. Offenbar wirft die Fußball-WM 2030 ihre Schatten voraus, denn Marokko will sich dem internationalen Publikum von seiner besten Seite zeigen.

Die andere Sache ist das Ding mit den aufdringlichen Guides, Händlern und bettelnden Kindern. Wir haben aus den negativen und nervenden Erfahrungen unserer letzten Marokkoreise ein wenig gelernt und sind diesmal – hoffentlich – mental besser vorbereitet. Und siehe da – bislang sind wir tatsächlich verschont geblieben und haben nahezu ausnahmslos nette, hilfsbereite Menschen getroffen. Ein höfliches, aber bestimmtes »Nein« wird akzeptiert.

Ja und eine dritte Sache ist das Ding mit den Parkwächtern. Meist tauchen sie irgendwo auf, sobald man das Auto abstellt. Ausgerüstet mit einer Warnweste erwecken sie den Eindruck, in offizieller Mission unterwegs zu sein. Und da kommen dann wir Europäer mit unserem großen Haus auf Rädern daher und müssen aus Sicht der Einheimischen tatsächlich unermesslich reich sein. Stattdessen feilschen wir um die Parkgebühr von ein paar Cent und widerstehen dem Lächeln eines dunkeläugigen Mädchens. Sind wir deshalb herzlose Menschen?

 

In der Landeshauptstadt Rabat und auch anderswo werden in der Regel 5 DH (also 50 Cent) pro Stunde parken aufgerufen. Sauber läuft es, wenn diese Gebühr klar kommuniziert und ausgeschildert ist. Das nehmen wir für uns als Messlatte und Verhandlungsgrundlage für das restliche Land, solange es keine anderslautenden, offiziellen Angaben gibt. Ein Abreißblock und eine Warnweste garantieren nämlich nicht, wie viel in die eigene Tasche des »Parkplatzwächters« fließt.

Und siehe da – auch hier hilft bestimmtes Auftreten. In Moulay Bousselham wollte man von uns partout 20 DH Parkgebühr (2 Euro). Ist nach europäischem Maßstab ja nicht die Welt. Wir dürften auch übernachten, meinte der gute Mann in Warnweste. Genau neben einem Schild, auf dem Camper eindeutig durchgestrichen sind… Wir wollen aber nur eine Stunde bleiben, um ein paar Fotos zu machen und Lebensmittel im Souk zu kaufen. Kostet trotzdem 20 DH. Wir bieten 5 DH oder fahren weiter. Auf dem Handy zeigt der Wärter nochmal 20 DH. Frank verneint, bietet erneut 5 DH, fragt nach der Police und bekommt den Parkzettel. Geht doch!

Einen wunderschönen Aufenthalt hatten wir dann auf einer Olivenfarm in Hinterland der Küste. Da wir alleine dort waren, hatten wir Familienanschluss pur. Amin, seine Frau Jozel und die Kinder haben uns einen herzlichen Empfang bereitet und wir konnten dort nicht nur zwei sehr ruhige und erholsame Nächte verbringen, sondern haben auch viel über die marokkanische Kultur, Geschichte und Mentalität erfahren. Bei einer Führung über die Olivenplantage hat uns Amin viel über sein Betriebskonzept mit mehreren Standbeinen erklärt. Ein echter Tüftler mit visionären Ideen und für uns ein Beispiel, wie heute moderne und nachhaltige Landwirtschaft in Marokko funktionieren kann. Bekocht wurden wir von Jozel und ihren Töchtern. Die Oliven spielten dabei die Hauptrolle, aber die Pastillas und Tajines waren einfach köstlich!

 

Wir haben also unser »Daumen-Barometer« wieder hervorgeholt und bislang zeigt es, mit ganz wenigen Ausnahmen, tendenziell nach oben 😉

Inzwischen sind wir bereits ein gutes Stück weiter in Richtung Süden gefahren, haben meinen Geburtstag in Kénitra und den Hochzeitstag in Rabat gefeiert und stehen jetzt an einem Surferstrand kurz vor Essaouira. Ganz fit bin ich übrigens immer noch nicht. Nach dem Magen-Darm-Infekt plagt mich jetzt ein kleine Erkältung mit Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Keine Ahnung, was mein sonst so robustes Immunsystem derart durcheinandergewirbelt hat. Aber ich werde es überleben und nicht jammern. In diesem Sinne – á la prochaine und bis zum nächsten Mal!



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